Vorlesungsskript: Grundlagen des Entscheidens I |
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Der Satz von Arrow zeigt - ähnlich wie Sens sog. „Paradox des Liberalismus“ - dass eine Abbildung individueller Präferenzen auf eine kollektive Präferenzordnung nicht mehr möglich ist, wenn man nur ein par „selbstverständliche“ Anforderungen an diese Abbildung stellt. Wenn wir dieses zunächst einmal mathematisch abstrakte Resultat auf demokratische Entscheidungsfindungsprozesse übertragen, dann besagt es, dass bestimmte normative Kriterien wie etwa 1) dass jeder eine faire Chance bekommen soll, 2) dass die Entscheidungsfindung effizient sein soll, 3) dass die Entscheidungsprozedur auch bei höchst unterschiedlichen Meinungen noch funktioniert, miteinander unvereinbar sein können. Da man dies den entsprechenden normativen Kriterien nicht unmittelbar ansieht, hat das Resultat schon einige Bedeutung, indem es uns auf einen möglichen Zielkonflikt aufmerksam macht. Wie bei beinahe allen Resultaten der Sozialwahltheorie muss man allerdings auch hier die Frage stellen, inwieweit die abstrakt-mathematische Formulierung die entsprechenden konkret-empirischen Zusammenhänge richtig erfasst.
Zum Anforderungskatalog, auf den sich der Satz von Arrow bezieht, gehören nun folgende Bedingungen:
Diese Bedingung ist vergleichweise schwächer als die Bedingung der „minimalen Fairness“ im Falle des Paradoxes des Liberalismus, indem sie immer noch zulässt, dass einzelne Individuen völlig übergangen werden, solange nicht alle bis auf ein Individuum übergangen werden.
Anders als bei der Paretobedingung legt die Bedingung der Unabhängigkeit von dritten Alternativen nicht fest, welche kollektive Wahl getroffen werden soll, wenn unterschiedliche Individuuen bezüglich bestimmter Alternativen übereinstimmen, sondern vielmehr, welche Wahl getroffen werden soll, wenn unterschiedliche Präferenzprofile bezüglich der Anordnung bestimmter Alternativen übereinstimmen. Dabei können die Individuuen innerhalb der Präferenzordnungen diese Alternativen sehr wohl unterschiedlich anordnen (siehe dazu die Aufgaben 3.1.4 und 3.1.4).
Theorem (Satz von Arrow): Es gibt (bei zwei oder mehr Individuen und drei oder mehr zur Wahl
stehenden Alternativen) kein Kollektiventscheidungsverfahren, das individuelle
Präferenzordnungen so auf eine kollektive Präferenzordnung abbildet,
dass die Bedingungen der Diktaturfreiheit, der Einstimmigkeit und der
Unabhängigkeit von dritten Alternativen für alle denkbaren indvididuellen
Präferenzordnungen erfüllt sind.
Um den Beweis des Theorems vorzubereiten, führen wir zunächst zwei weitere Definitionen ein:
Umgangssprachlich besagt die Definition also, dass eine Menge von Individuen „beinahe entscheidend“ ist, wenn sie nur in dem Extremfall maximaler Opposition von außerhalb entscheidend ist, aber nicht in anderen Fällen. Es gilt daher, dass eine Menge von Individuen, die „entscheidend“ ist, immer auch „beinahe entscheidend“ ist, aber nicht umgekehrt.
Anmerkungen:
[28] Statt der schwachen Pareto-Bedingung kann man hier ebenso gut die starke Paretobedingung einsetzen (siehe Aufgabe 3.1.4).
[29] Häufig wird diese Bedingung auch „Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen“ genannt. Wie bereits zuvor (Seite 2.3.1) an einigen Beispielen dargelegt, ist diese Bezeichnung irreführend, da dritte Alternativen in manchen Fällen sehr wohl und zu Recht einen Einfluss auf die Rangordnung eines Paars von Alternativen ausüben.