Vorlesungsskript: Grundlagen des Entscheidens I |
Inhalt |
Das Prinzip der Unabhängigkeit von dritten Alternativen wirft ähnliche Fragen auf wie die Transitivität, ist dabei aber noch um einiges umstrittener. Motivieren lässt sich dieses Prinzip zunächst dadurch, dass ohne dieses Prinzip durch hinzufügen von weiteren „irrelevanten“ Alternativen das Abstimmungsergebnis theoretisch manipuliert werden kann. Diese Motivation ist ähnlich wie das Geldpumpenargument pragmatischer und nicht logischer Natur. Insofern müssen die Probleme, die durch den Wegfall der paarweisen Unabhängigkeit entstehen können, nicht von vornherein als unüberwindlich angesehen werden. Umgekehrt wirft das Prinzip, nur paarweise Vergleiche zwischen den vorhandenen Alternativen zuzulassen, seinerseits Probleme auf, denn es führt dazu, dass ein möglicherweise sehr relevanter Teil der Informationen über die Rangfolge der Präferenzen zwangläufig vernachlässigt werden muss.
Dazu ein Beispiel: Angenommen der Kleingärtnerverein entscheidet darüber, welche Getränke zur Jahreshauptversammlung gereicht werden sollen. Der Getränkehändler bietet einen fetten Preisnachlass an, wenn nur er nur eine Sorte Getränke liefern muss. Den Preisnachlass wollen unsere Kleingärtner natürlich unbedingt in Anspruch nehmen. Es bleibt also nur noch die Frage des Auswahl des Getränks. Die eine Hälfte der Kleingärtner habe die Präferenz: Die andere Hälfte der Kleingärtner - womöglich Antialkoholiker - habe die Präferenz . Nun teilt der Getränkehändler weiterhin mit, dass abgesehen von Bier und Cola wegen eines Streiks keine anderen Getränke mehr lieferbar sind. Die Kleingärtner sind also gezwungen zwischen Bier und Cola zu entscheiden, da alle anderen Alternativen jetzt „irrelevant“ geworden sind. Frage: Sollte bei dieser Entscheidung die Information, dass Bier bei der einen Gruppe an der allerletzten Stelle steht, während beide Gruppen Cola an die erste oder zweite Stelle setzten, wirklich nicht in die Entscheidung einbezogen werden dürfen? Das Prinzip der paarweisen Unabhängigkeit würde es verbieten, solche Informationen zu verwenden. Das Beispiel legt jedoch eher nahe, dass das Prinzip der paarweisen Unabhängigkeit zu eng gefasst ist, indem es nicht nur die Unabhängigkeit von „irrelevanten“ Alternativen sicherstellt, sondern - je nach Umständen - auch relevante Alternativen aus der Betrachtung ausschließt.