Vorlesungsskript: Grundlagen des Entscheidens I

Eckhart Arnold

1 Vorwort
2 Techniken des Entscheidens
3 Zur Theorie der Kollektiven Entscheidungen
    3.1 Sozialwahltheorie
    3.2 Zur Diskussion der Sozialwahltheorie
        3.2.1 Der Satz von Arrow als Widerlegung der „identären“ Demokratie
            3.2.1.1 Die „Identitätstheorie der Demokratie“
            3.2.1.2 Die Frage der Durchschlagskraft der auf den Satz von Arrow gestützten Kritik an der Identitätstheorie
            3.2.1.3 Eine „strukturelle Konzeption kollektiver Rationalität“ als Alternative?
    3.3 Die These des „demokratischen Irrationalismus“
    3.4 Fazit
4 Wahrscheinlichkeitsrechnung
5 Neumann-Morgensternsche Nutzentheorie
6 Spieltheorie
7 Kritische Reflexion
8 Beispielklausur
Literaturverzeichnis

3.2.1 Der Satz von Arrow als Widerlegung der „identären“ Demokratie

Nach Nida-Rümelins Ansicht sind der Satz von Arrow und verwandte Ergebnisse der Sozialwahltheorie für „die Entwicklung eines angemessenen Demokratieverständnisses - ex negativo - bedeutsam“, indem sie „den Bereich zulässiger Demokratiekonzeptionen“ durch apriorische Argumente, die „die logische Konsistenz von Normen- und Regelsystemen“ betreffen, einschränken. Man kann ihre Ergebnisse als Argumente gegen die „Identitätstheorie“ der Demokratie auffassen. Unter der „Identitätstheorie der Demokratie“ versteht Nida-Rümelin „die Vorstellung, Demokratie verlange die Konstituierung eines kollektiven Akteurs, dessen Entscheidungen als Aggregation der individuellen Bürgerinteressen verstanden werden können“ (Nida/Ruemelin 1991, S. 185). Er glaubt, dass der Satz von Arrow vor dem Hintergrund dieses Demokratieverständnisses „eine ernsthafte Herausforderung für die Demokratietheorie“ (Nida/Ruemelin 1991, S. 186) darstellt, zeigt er doch seiner Ansicht nach, dass „wesentliche Elemente unserer vortheoretischen Demokratievorstellung nicht tragfähig sind“ (Nida/Ruemelin 1991, S. 187). Als Alternative zu dieser vermeintlich defizitären „vortheoretischen Demokratievorstellung“ empfiehlt sich für Nida-Rümelin eine Demokratievorstellung, die sich „auf strukturelle, auf einem praktischen Konsens über sekundäre Regeln beruhende Normen“ (Nida/Ruemelin 1991, S. 186) stützt. Den Begriff der sekundären Regeln übernimmt Nida-Rümelin dabei von dem Rechtsphilosophen H.L.A. Hart, der damit diejenigen (institutionellen) Regeln bezeichnet, nach denen wir in der Gesellschaft regelen festlegen, also z.B. die Geschäftsordnung des Parlaments, die regelt auf welchem Weg Gesetze erlassen werden, im Gegensatz zu den „primären Normen", also etwa Gesetzen, die regeln, welches Verhalten verboten oder erlaubt ist.

Um Nida-Rümelins Deutung zu untersuchen, ist Folgendes zu untersuchen:

  1. Inwiefern betrifft sein Begriff der „Identitätstheorie der Demokratie“ einschlägige Demokratiekonzeptionen, insbesondere: Inwieweit gibt er das vortheoretische Demokratieverständnis richtig wieder?
     
  2. Greift seine auf den Satz von Arrow gestützte Kritik an der „Identitätstheorie der Demokratie“, d.h. leidet diese Demokratiekonzeption tatsächlich an einem Mangel an logischer Konsistenz, den der Satz von Arrow nachweist?
     
  3. Kann die von Nida-Rümelin skizzierte Alternative das Problem lösen?

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