Vorlesungsskript: Grundlagen des Entscheidens I |
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Eine weitere Lesart der Neumann-Morgensternschen Nutzentheorie besagt, dass die Neumann-Morgensternsche Nutzentheorie uns die Gültigkeit des Erwartungsnutzenprinzips auch bezogen auf Einzelfälle beweist. Sie liefert damit eine stärkere Rechtfertigung des Erwartungsnutzens als der Hinweis auf das Gesetz der großen Zahlen und empirisch-statistische Überlegungen (siehe Kapitel 2.4.2, Seite 2.4.2ff.). Auch hier gilt die Einschränkung, dass das Resultat nur unter den vorausgesetzten „Bedingungen“ (siehe Seite 5.1) bewiesen wurde. Anders als bei der ersten Lesart (Seite 5.2.1.1), die die Konstruktion kardinaler Nutzenfunktionen hervorhebt, liefert die Neumann-Morgensternsche Nutzentheorie bei dieser Lesart auch mit dieser Einschränkung noch ein gehaltvolles Resultat. Denn die Rechtfertigung des Erwartungsnutzenprinzips (auch für den Einzelfall) erübrigt sich keineswegs von selbst in den Kontexten, in denen wir mit Geldwerten zu tun haben oder kardinalen Nutzen annehmen dürfen. Was die Neumann-Morgensternsche Nutzentheorie zeigt ist, dass die Verletzung des Erwartungsnutzenprinzips nicht nur (auf lange Sicht) zu einer Minderung des Gewinns führt, sondern auch Ausdruck inkonsequenten Verhaltens ist. Der Nachweis dieser Inkonsequenz funktioniert aber nur dort, wo wir genügend „reiche“ Präferenzen annehmen dürfen. Ist das aber nicht der Fall, dann können wir gegenüber Abweichungen vom Erwartungsnutzenprinzip auch nicht mit Hinweis auf Neumann-Morgenstern den Vorwurf der Inkonsequenz erheben.[69]
[69] Vergleiche dazu auch die frühere Diskussion zwischen Rawls und Harsanyi, Kapitel 2.4.4, Seite 2.4.4ff. .