Vorlesungsskript: Grundlagen des Entscheidens I

Eckhart Arnold

1 Vorwort
2 Techniken des Entscheidens
3 Zur Theorie der Kollektiven Entscheidungen
4 Wahrscheinlichkeitsrechnung
5 Neumann-Morgensternsche Nutzentheorie
    5.1 Die Neumann-Morgensternsche Nutzentheorie
    5.2 Diskussion der Neumann-Morgensternschen Nutzentheorie
        5.2.1 Unterschiedliche Lesarten der Neumann-Morgensternschen Nutzentheorie
            5.2.1.1 NM als Beweis der Existenz kardinaler Nutzenfunktionen
                Erwartungsnutzen statt Erwartungswert
            5.2.1.2 NM als Beweis des Erwartungsnutzens
            5.2.1.3 Der Erwartungsnutzen in der Empirie
            5.2.1.4 NM als Rationalitätskriterium
            5.2.1.5 Mögliche Auswege?
        5.2.2 „Paradoxien“ der Nutzentheorie
        5.2.3 Aufgaben
6 Spieltheorie
7 Kritische Reflexion
8 Beispielklausur
Literaturverzeichnis

Erwartungsnutzen statt Erwartungswert

Im Zusammenhang mit der Neumann-Morgensternschen Nutzentheorie wird oft eine Diskussion darüber geführt, wie sich Geldwerte zu Nutzenwerten verhalten (Resnik 1987, S. 85ff.). Der Vorteil von Geldwerten gegenüber bloß ordinalen Nutzenwerten besteht darin, dass man mit Geldwerten rechnen kann, was mit ordinalen Nutzenwerten nur sehr begrenzt möglich ist. Das bekannte Problem, wenn wir mit Geldwerten anstatt mit Nutzenwerten rechnen, besteht darin, dass Geldwert und Nutzen einander keinesfalls immer entsprechen müssen, z.B. weil der Grenznutzen des Geldes nicht konstant ist. Zudem sind viele Entscheidungssituationen denkbar, in denen die Ergebnisse nicht sinnvoll als monetäre Kosten oder Gewinne beziffert werden können. Sofern es überhaupt möglich ist eine kardinale Nutzenfunktion anzugeben, erscheint daher der Rückgriff auf Nutzenwerte anstelle von Geldwerten zunächst die sinnvollere Alternative zu sein. Dieser scheinbare Vorteil des kardinalen Nutzens gegenüber dem Geldwert wird jedoch in der Regel dadurch zunichte, dass sich kardinale Nutzenwerte sehr viel schlechter präzise messen lassen als Geldwerte. (Die theoretische Konstruktion des kardinalen Nutzens aus Lotterien, wie sie von von Neumann und Morgenstern vorgenommen wird, kann kaum eine zuverlässige Grundlage für empirische Messungen abgeben.) Zudem ist auch der kardinale Nutzen oft schlicht nicht vorhanden. Auch wenn Geldwerte unter Umständen nur lose an den Nutzen geknüpft sind, den jemand aus einem bestimmten Geldbetrag beziehen kann, ist das Rechnen mit Geldbeträgen, wo dies möglich ist, daher in der Regel die sehr viel zuverlässigere Alternative. Nicht nur aus didaktischen Gründen stützt beispielsweise Kaplan daher (anders als Resnik) den Aufbau der Entscheidungstheorie von vornherein nur auf Lotterien über Geldwerte (Kaplan 1996). Alles in allem kann man festhalten: Welche konzeptionellen Probleme auch immer mit dem Geldwert bzw. dem erwarteten Geldwert verknüpft sind, sie können durch die Einführung von Nutzenwerten statt Geldwerten auch nicht immer befriedigender gelöst werden.

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