Vorlesungsskript: Grundlagen des Entscheidens I
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Erwartungsnutzen statt Erwartungswert
Im Zusammenhang mit der Neumann-Morgensternschen Nutzentheorie wird
oft eine Diskussion darüber geführt, wie sich Geldwerte zu Nutzenwerten
verhalten (Resnik 1987, S. 85ff.).
Der Vorteil von Geldwerten gegenüber bloß ordinalen Nutzenwerten besteht
darin, dass man mit Geldwerten rechnen kann, was mit ordinalen Nutzenwerten
nur sehr begrenzt möglich ist. Das bekannte Problem, wenn wir mit Geldwerten anstatt mit Nutzenwerten
rechnen, besteht darin, dass Geldwert und Nutzen einander keinesfalls
immer entsprechen müssen, z.B. weil der Grenznutzen des Geldes nicht
konstant ist. Zudem sind viele Entscheidungssituationen denkbar, in
denen die Ergebnisse nicht sinnvoll als monetäre Kosten oder Gewinne
beziffert werden können. Sofern es überhaupt möglich ist eine kardinale
Nutzenfunktion anzugeben, erscheint daher der Rückgriff auf Nutzenwerte
anstelle von Geldwerten zunächst die sinnvollere Alternative zu sein.
Dieser scheinbare Vorteil des kardinalen Nutzens gegenüber dem Geldwert
wird jedoch in der Regel dadurch zunichte, dass sich kardinale Nutzenwerte
sehr viel schlechter präzise messen lassen als Geldwerte. (Die theoretische
Konstruktion des kardinalen Nutzens aus Lotterien, wie sie von von
Neumann und Morgenstern vorgenommen wird, kann kaum eine zuverlässige
Grundlage für empirische Messungen abgeben.) Zudem ist auch der kardinale
Nutzen oft schlicht nicht vorhanden. Auch wenn Geldwerte unter Umständen
nur lose an den Nutzen geknüpft sind, den jemand aus einem bestimmten
Geldbetrag beziehen kann, ist das Rechnen mit Geldbeträgen, wo dies
möglich ist, daher in der Regel die sehr viel zuverlässigere Alternative.
Nicht nur aus didaktischen Gründen stützt beispielsweise Kaplan daher
(anders als Resnik) den Aufbau der Entscheidungstheorie von vornherein
nur auf Lotterien über Geldwerte (Kaplan 1996).
Alles in allem kann man festhalten: Welche konzeptionellen Probleme
auch immer mit dem Geldwert bzw. dem erwarteten Geldwert verknüpft
sind, sie können durch die Einführung von Nutzenwerten statt Geldwerten
auch nicht immer befriedigender gelöst werden.
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