Vorlesungsskript: Grundlagen des Entscheidens I
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5.2.2 „Paradoxien“ der Nutzentheorie
Wie wir eben gesehen haben, gibt es eine Reihe ernst zu nehmender Einwände
gegen Entscheidungs- und Nutzentheorie, die jedoch nicht dazu führen,
dass diese Theorie gänzlich verworfen werden müsste, die es aber sehr
wohl erlauben ihren - manchmal uneingestandenen - Voraussetzungsreichtum
herauszuarbeiten und ihren Anwendungsbereich auf diejenigen Entscheidungsprobleme
einzuschränken, zu deren Behandlung sie sich tatsächlich eignet. Viel
häufiger als deratige Einwände wird in der Fachliteratur im Zusammenhang
mit der Nutzen- und Entscheidungstheorie eine Reihe sogenannter Paradoxien
diskutiert. Eine Paradoxie im strengen Sinne ist eine Aussage, aus
deren Wahrheit ihre Falschheit folgt, und aus deren Falschheit wiederum
ihre Wahrheit folgt (wie z.B. das berühmte Lügnerparadox, das entsteht,
wenn ein Athener sagt: „Alle Athener lügen“). (Ein Paradox
ist damit zu unterscheiden von einem einfachen logischen Widerspruch,
der nur zur Folge hat, dass eine Theorie oder eine Aussage falsch ist.
Wenn z.B. aus der Wahrheit einer Aussage ihre Falschheit folge, aus
ihrer Falschheit aber wieder nur ihre Falschheit, dann handelt es sich
um eine logisch falsche Aussage, aber nicht um ein Paradox.) Ein Entscheidungsparadox
ist eine Entscheidungssituation, in der man mit gleichem Recht widersprüchliche Entscheidungen fordern
muss. Eine Entscheidungstheorie, die solche Paradoxien zulässt, hat,
wie sich versteht, ein ernstes Problem. Fast alle der im Folgenden
diskutierten (vermeintlichen) Paradoxien lassen sich jedoch auflösen.
Sie beruhen zum größten Teil auf mehr oder weniger gewollten Missverständnissen
der Entscheidungs- und Nutzentheorie. Als Einwände gegen die Neumann-Morgensternsche
Nutzentheorie wiegen sie, meiner Meinung nach, daher sehr viel weniger
schwer als die zuvor erörterten Probleme. Ihre Diskussion kann aber
ebenso wie die Diskussion von Beispielen dabei helfen, die Entscheidungstheorie
besser zu verstehen. Zudem verdeutlichen sie Grenzen der Entscheidungstheorie
und mögliche Fallstricke bei ihrer Anwendung.
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