Vorlesungsskript: Grundlagen des Entscheidens I

Eckhart Arnold

1 Vorwort
2 Techniken des Entscheidens
3 Zur Theorie der Kollektiven Entscheidungen
4 Wahrscheinlichkeitsrechnung
5 Neumann-Morgensternsche Nutzentheorie
    5.1 Die Neumann-Morgensternsche Nutzentheorie
    5.2 Diskussion der Neumann-Morgensternschen Nutzentheorie
        5.2.1 Unterschiedliche Lesarten der Neumann-Morgensternschen Nutzentheorie
        5.2.2 „Paradoxien“ der Nutzentheorie
            5.2.2.1 Allais' Paradox
            5.2.2.2 Ellsberg Paradox
            5.2.2.3 St. Petersburg Paradox
            5.2.2.4 Das Hellseherparadox
        5.2.3 Aufgaben
6 Spieltheorie
7 Kritische Reflexion
8 Beispielklausur
Literaturverzeichnis

5.2.2 „Paradoxien“ der Nutzentheorie

Wie wir eben gesehen haben, gibt es eine Reihe ernst zu nehmender Einwände gegen Entscheidungs- und Nutzentheorie, die jedoch nicht dazu führen, dass diese Theorie gänzlich verworfen werden müsste, die es aber sehr wohl erlauben ihren - manchmal uneingestandenen - Voraussetzungsreichtum herauszuarbeiten und ihren Anwendungsbereich auf diejenigen Entscheidungsprobleme einzuschränken, zu deren Behandlung sie sich tatsächlich eignet. Viel häufiger als deratige Einwände wird in der Fachliteratur im Zusammenhang mit der Nutzen- und Entscheidungstheorie eine Reihe sogenannter Paradoxien diskutiert. Eine Paradoxie im strengen Sinne ist eine Aussage, aus deren Wahrheit ihre Falschheit folgt, und aus deren Falschheit wiederum ihre Wahrheit folgt (wie z.B. das berühmte Lügnerparadox, das entsteht, wenn ein Athener sagt: „Alle Athener lügen“). (Ein Paradox ist damit zu unterscheiden von einem einfachen logischen Widerspruch, der nur zur Folge hat, dass eine Theorie oder eine Aussage falsch ist. Wenn z.B. aus der Wahrheit einer Aussage ihre Falschheit folge, aus ihrer Falschheit aber wieder nur ihre Falschheit, dann handelt es sich um eine logisch falsche Aussage, aber nicht um ein Paradox.) Ein Entscheidungsparadox ist eine Entscheidungssituation, in der man mit gleichem Recht widersprüchliche Entscheidungen fordern muss. Eine Entscheidungstheorie, die solche Paradoxien zulässt, hat, wie sich versteht, ein ernstes Problem. Fast alle der im Folgenden diskutierten (vermeintlichen) Paradoxien lassen sich jedoch auflösen. Sie beruhen zum größten Teil auf mehr oder weniger gewollten Missverständnissen der Entscheidungs- und Nutzentheorie. Als Einwände gegen die Neumann-Morgensternsche Nutzentheorie wiegen sie, meiner Meinung nach, daher sehr viel weniger schwer als die zuvor erörterten Probleme. Ihre Diskussion kann aber ebenso wie die Diskussion von Beispielen dabei helfen, die Entscheidungstheorie besser zu verstehen. Zudem verdeutlichen sie Grenzen der Entscheidungstheorie und mögliche Fallstricke bei ihrer Anwendung.

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