Vorlesungsskript: Grundlagen des Entscheidens I

Eckhart Arnold

1 Vorwort
2 Techniken des Entscheidens
3 Zur Theorie der Kollektiven Entscheidungen
4 Wahrscheinlichkeitsrechnung
5 Neumann-Morgensternsche Nutzentheorie
    5.1 Die Neumann-Morgensternsche Nutzentheorie
    5.2 Diskussion der Neumann-Morgensternschen Nutzentheorie
        5.2.1 Unterschiedliche Lesarten der Neumann-Morgensternschen Nutzentheorie
        5.2.2 „Paradoxien“ der Nutzentheorie
            5.2.2.1 Allais' Paradox
            5.2.2.2 Ellsberg Paradox
            5.2.2.3 St. Petersburg Paradox
            5.2.2.4 Das Hellseherparadox
        5.2.3 Aufgaben
6 Spieltheorie
7 Kritische Reflexion
8 Beispielklausur
Literaturverzeichnis

5.2.2.2 Ellsberg Paradox

Ein anderes Paradox ist das Ellsberg Paradox. Es entsteht so: Jemand hat die Wahl zwischen zwei Arten von Glückspielen. Bei dem ersten muss sie eine Kugel aus einer Urne ziehen, die zur Hälfte rote und zur Hälfte schwarze Kugeln enthält, wobei sie gewinnt, wenn sie eine rote Kugel zieht. Bei dem zweiten Spiel muss sie wieder aus einer Urne mit roten und schwarzen Kugeln ziehen und gewinnt wieder, wenn sie eine rote Kugel zieht. Nur weiss sie bei dem zweiten Spiel nicht wieviele rote und schwarze Kugeln die Urne enthält.

Die meisten Menschen würden in einer solchen Situation angeblich das erste Spiel mit bekannter Kugel-Verteilung vorziehen (Myerson 1991, S. 24).[75] Ein „Paradox“ entsteht dann, wenn man das Indifferenzprinzip (siehe Kapitel 2.3.3.2) voraussetzt, das besagt, dass man bei unbekannten Wahrscheinlichkeiten eine Gleichverteilung voraussetzen soll. Akzeptiert man das Indifferenzprinzip, dann handelt es sich aber wiederum nicht um ein Paradox, sondern - sofern die Behauptung über das, was die meisten Menschen tun würden stimmt - lediglich um einen Widerspruch zwischen Theorie um Empirie, der zeigt, dass das Indifferenzprinzip empirisches beobachtbares Entscheidungsverhalten bei Entscheidungen unter Unwissenheit nicht richtig beschreibt. Lehnt man das Indifferenzprinzip überhaupt ab, so entsteht von vornherein kein Paradox.

[75] Über den bedeutenden Entscheidungstheoretiker Savage geht das Gerücht um, „that the author of what is perhaps the most elegant derivation of expected utility theory [...] reported after careful consideration of the problem in the light of his theory, he would still want to choose I and IV“ (wie bei einem echten Gerücht ausnahmsweise mal ohne Quellenangabe ;) ).

t g+ f @