Vorlesungsskript: Grundlagen des Entscheidens I |
Inhalt |
Ein Beispiel für das erste Problem ist das in der letzten Woche schon vorgestellte Hirschjagdspiel:
Jäger 2 | Jäger 2 | |||||
Hirsch | Hase | Hirsch | Hase | |||
Hirsch | 5, 5, 5 | 0, 2, 0 | 0, 0, 2 | 0, 2, 2 | ||
Jäger 1 | Hase | 2, 0, 0 | 2, 2, 0 | 2, 0, 2 | 2, 2, 2 | |
Jäger 3: Hirsch | Jäger 3: Hase | |||||
In diesem Spiel gibt es zwei Nash-Gleichgewichte:
Dass es sich um Nash-Gleichgewichte handelt, geht aus folgender Überlegung hervor:
Das einzige paretoeffiziente Ergebnis dieses Spiels bildet das Hirschjagdgleichgewicht. Auch davon kann man sich leicht überzeugen. Denn egal welches andere Ergebnis man aus der Tabelle heranzieht, beim Hirschjagdgleichgewicht sind alle Jäger im Vergleich dazu besser gestellt (sie erhalten einen Nutzenwert von fünf anstelle von zwei oder null). Insbesondere ist auch das Hasenjagdgleichgewicht kein paretoeffizientes Ergebnis, auch wenn es eine Pareto-Verbesserung gegenüber allen anderen Ergebnissen bis auf das Hirschjagdgleichgewicht darstellt.
Das Koordinationsproblem beim Hirschjagdspiel besteht darin, dass das paretoeffiziente Hirschjagdgleichgewicht sehr viel instabiler ist als das Hasenjagdgleichgewicht. Wenn wir unter dem Anziehungsbereich eines Gleichgewichtes die Menge aller derjenigen Strategiekombinationen verstehen, die man durch eine endliche Anzahl von nutzenerhöhenden Strategiewechseln jeweils einzelner Jäger in das Gleichgewicht überführen kann, dann sieht man leicht, dass der Anziehungsbereich des Hasenjagdgleichgewichts wesentlich größer ist als der des Hirschjagdgleichgewichts. Zum Anziehungsbereich des Hasenjagdgleichgewichts gehören alle Strategiekombinationen bis auf das Hirschjagdgleichgewicht. Diejenigen Strategiekombinationen, bei denen mehr als ein Jäger auf Hasenjagd geht, gehören sogar ausschließlich zum Anziehungsbereich des Hasenjagdgleichgewichts. Dagegen gehören zum Anziehungsbereich des Hirschjagdgleichgewichts nur diejenigen Strategiekombinationen, bei denen höchstens ein Jäger auf Hasenjagd geht. Und selbst diese Strategiekombinationen gehören nicht ausschließlich zum Anziehungsbereich des Hirschjagdgleichgewichts, sondern ebenso auch zum Anziehungsbereich des Hasenjagdgleichgewichts. (Woran man gleichzeitig sieht, dass sich die Anziehungsbereiche der Gleichgewichte am Rand überschneiden können.)
Es ist charakteristisch für Koordinationsprobleme im Gegensatz zu den unten zu besprechenden Kooperationsproblemen, dass sie sich theoretisch allein durch Verabredungen, Signale oder Konventionen lösen lassen, ganz ohne jeden Bestrafungs- bzw. Sanktionsmechanismus. Das beliebte Schlagwort „Talk ist Cheap“ (soll heißen: Ein Versprechen zu geben kostet nichts, weil man es später sowieso brechen kann) gilt nur bei Kooperationsproblemen aber nicht bei Koordinationsproblemen.