Vorlesungsskript: Grundlagen des Entscheidens I |
Inhalt |
Der Grundgedanke der „Minimax-Bedauerns-Regel“ besteht darin, eine Entscheidung zu finden, bei der der maximal mögliche Verlust (je nach eintretenden Zufallsereignissen) minimiert wird. Da wir diese Regel auf ein Beispiel mit Geldwerten angewendet haben, konnten wir die Verluste relativ bedenkenlos als die Differenz zwischen entgangenem Gewinn und erhaltenem Gewinn bestimmen. Aber wie sollen wir eine solche Regel wie die „Minimax-Bedauerns-Regel“ anwenden, wenn die (möglichen) Ergebnisse eines Entscheidungsproblems keine Geldwerte sind? Die Ihnen zugeordneten Nutzenwerte spiegeln dann - nach dem Konzept des ordinalen Nutzens - nur eine Rangordnung zwischen den möglichen Ergebnissen des Entscheidungsprozesses entsprechend den Präferenzen wieder. Das Ergebnis der Anwendung einer Entscheidungsregel sollte also auch nur von der Rangordnung der Nutzenwerte nicht aber von den - solange die Ordnung erhalten bleibt - willkürlich wählbaren Zahlenwerten abhängen, die diese Ordnung auf einer Nutzenskala wiedergeben. Betrachten wir als Beispiel einmal folgende beiden Nutzenskalen, die den Ergebnissen jeweils einen bestimmten Nutzen zuordnen. (x, y und z sollen dabei irgendwelche möglichen Resultate irgendeines Entscheidungsprozesses sein, z.B. könnten sie für die Resultate frustriert, gelangweilt, erfreut aus dem Beispiel auf Seite 2.1.3.1 stehen.)
x | y | z | x | y | z | |||
Nutzenskala u() | 1 | 2 | 3 | Nutzenskala v() | 1 | 4 | 9 |
Beide Skalen geben offenbar denselben ordinalen Nutzen wieder, da und ebenso . Betrachtet man allerdings die Differenzen, so fällt auf, dass , während . Würden diese Nutzenwerte bei einem Entscheidungsproblem auftauchen, so könnte es geschehen, dass man bei Anwendung der Minimax-Bedauernsregel je nachdem, ob man die Nutzenfunktion u oder die Nutzenfunktion v zur Darstellung der Präferenzen heranzieht, zu einer anderen Entscheidungsempfehlung kommt. Genau das dürfte aber nicht geschehen, da u und v nur unterschiedliche Darstellungen desselben ordinalen Nutzens sind. Welche Auswege könnte man sich aus dieser misslichen Situation denken:
Das, was wir eben eher intuitiv die „Stärke“ eines Nutzenkonzepts genannt haben, ist dadurch bestimmt, unter welcher Art von Transformationen man zwei Nutzenfunktionen als äquivalent, d.h. denselben Nutzen ausdrückend, betrachtet. (Man kann es also nicht den Nutzenfunktionen also solchen ansehen, ob sie einen ordinalen oder kardinalen Nutzen ausdrücken. Sondern erst durch den Vergleich von Nutzenfunktionen und der Festlegung der Bedingungen ihrer Äquivalenz oder Nicht-Äquivalenz wird dies bestimmt.) Beim ordinalen Nutzen wurden alle Nutzenfunktionen als äquivalent betrachtet, die durch „ordnungserhaltende“ Transformationen ineinander überführt werden können. „Ordnungserhaltend“ sind alle streng monoton steigenden Abbildungen. Der kardinale Nutzen ist nun dadurch definiert, dass zwei Nutzenfunktionen als äquivalent betrachtet werden, wenn man sie durch positive lineare Transformationen ineinander überführen kann. Positive lineare Transformationen sind alle Transformationen der Form:
Man betrachte unter diesem Gesichtspunkt einmal die folgenden, in Tabellen dargestellten Nutzenfunktionen:
x | y | z | x | y | z | x | y | z | |||||
u() | 1 | 2 | 3 | v() | 1 | 4 | 9 | w() | 1 | 3 | 5 |
Alle drei Nutzenfunktionen geben denselben ordinalen Nutzen wieder,
aber nur die Funktionen u und w geben denselben kardinalen
Nutzen wieder, da .
Weiterhin kann man sich leicht überlegen, dass zwei Nutzenfunktionen,
die denselben kardinalen Nutzen darstellen, immer auch denselben ordinalen
Nutzen repräsentieren, denn positive lineare Transformationen sind
immer auch ordnungserhaltende Transformationen. Umgekehrt gilt dasselbe
aber nicht, wie die Tabelle oben zeigt. Kardinale Nutzenskalen sind
„feinkörniger“ als ordinale Nutzenskalen. Und sie erhalten, wie erwünscht nicht nur die Ordnung der Nutzenwerte
sondern auch die Ordnung der Differenzen von Nutzenwerten, denn seien
beliebige Nutzenwerte
und sei mit
eine positive lineare Transformation, dann:
Dasselbe gilt, wenn man statt des Ungleichheitszeichens ein Gleichheitszeichen
einsetzt, womit der Erhalt der Ordnung von Nutzendifferenzen unter
positiv linearer Transformation bewiesen ist. Positive lineare Transformationen
haben darüber hinaus die Eigenschaft, dass sie nicht bloß die Ordnung
der Differenzen von Nutzenwerten erhalten, sondern auch die Quotienten
der Differenzen:
Diese Eigenschaft wird später noch für uns wichtig werden wird. Erfüllt
eine Skala, wie in diesem Fall die kardinale Nutzenskala, diese Eigenschaft,
so nennt man sie auch eine Intervallskala. Zur besseren Übersicht
sollen im folgenden kurz einige der wichtigsten Skalentypen aufgelistet
werden, die in der Wissenschaft von Bedeutung sind.