Vorlesungsskript: Grundlagen des Entscheidens I

Eckhart Arnold

1 Vorwort
2 Techniken des Entscheidens
3 Zur Theorie der Kollektiven Entscheidungen
4 Wahrscheinlichkeitsrechnung
    4.1 Wahrscheinlichkeiten I: Rechentechniken
        4.1.1 Einführung
        4.1.2 Grundlegende Gesetze der Wahrscheinlichkeitsrechnung
        4.1.3 Der Bayes'sche Lehrsatz
            4.1.3.1 Ein „Anwendungsbeispiel“: Bayes in der medizinischen Diagnostik
            4.1.3.2 Ein weiteres Anwendungsbeispiel: Wieviel Geld sind Informationen wert?
        4.1.4 Aufgaben
    4.2 Wahrscheinlichkeiten II: Interpretationsfragen nicht klausurrelevant!)
5 Neumann-Morgensternsche Nutzentheorie
6 Spieltheorie
7 Kritische Reflexion
8 Beispielklausur
Literaturverzeichnis

4.1.3 Der Bayes'sche Lehrsatz

Aus dem Gesetz für die Multiplikation von Wahrscheinlichkeiten



lässt sich durch Division von bzw. die Bayes'sche Regel ableiten:



Um den eigentlichen Bayes'schen Lehrsatz abzuleiten, ist es notwendig, den Ausdruck im Nenner durch einen Ausdruck zu ersetzen, der die absolute Wahrscheinlichkeit von nicht mehr enthält.[53] Dazu erinnern wir uns der aus der Logik (bzw. der Mengentheorie) bekannten Zerlegung von . Da und einander ausschließen gilt:



Mit Hilfe des Multiplikationsgesetzes ergibt sich daraus:



Durch Einsetzen in die oben angegebene Regel ergibt sich damit der berühmte Bays'sche Lehrsatz:



Wie kann man sich diese Formel am besten merken und wozu ist sie überhaupt gut? Merken kann man sich die Formel recht leicht, wenn man sich klar macht, dass sie die folgende Struktur hat:



wobei



und



d.h., salopp ausgedrückt, dasselbe ist wie nur mit statt . Man kann sich die Bedeutung dieser Formel mit Hilfe folgender, in vielen Zusammenhängen nützlichen Interpretation merken: Was uns die Formel auf der linken Seite als Ergebnis liefert ist die Wahrscheinlichkeit für die Gültigkeit einer Annahme unter der Bedingung, dass irgendeine Probe bzw. ein Test erfolgreich durchgeführt worden ist. Auf der rechten Seite kommen nur drei verschiedene Terme vor. Einige davon allerdings mehrfach, nämlich:

  1. Die Basisrate , d.i. die Wahrscheinlichkeit, unter der die Annahme p normalerweise stimmt, sowie die inverse Basisrate
     
  2. Die positiv-positiv Rate , d.i. die Wahrscheinlichkeit, dass die Probe positiv ausfällt, wenn gegeben ist.
     
  3. Die positiv-negativ Rate , d.i. die Wahrscheinlichkeit, dass die Probe positiv aus fällt obwohl nicht gegeben ist.

Die letzten beiden Wahrscheinlichkeiten beschreiben Fehlerwahrscheinlichkeiten des Testverfahrens q, und zwar für unterschiedliche Arten von Fehlern! Die negativ-positiv und negativ-negativ Raten sind dagegen die Inversen der entsprechenden positiv-* Raten und berechenen damit nach: bzw. . Mit der Bayes'schen Formel berechnet man also die Wahrscheinlichkeit, dass zutrifft, wenn ein Testverfahren positiv ausfällt. Die Bayes'sche Formel erlaubt uns zu berücksichtigen, dass Testverfahren meistens nicht 100%-ig perfekt sind. Die Unvollkommenheiten des Testverfahrens werden dabei durch die positiv-positiv und die positiv-negativ Raten charakterisiert. Die Wahrscheinlichkeit von , wenn der Test positiv ausgefallen ist, berechnet sich, wenn man die Formel in Worte fasst nach: Basisrate mal positiv-positiv Rate geteilt durch Basisrate mal positiv-positiv Rate plus inverse Basisrate mal positiv-negativ Rate.

[53] Man kann an dieser Stelle durchaus die Frage stellen, warum man das tun sollte, wenn doch dadurch, wie gleich zu sehen ist, die Formel nur sehr viel komplizierter ist. Aber wie das eingangs zu dieser Vorlesung angeführte Beispiel vielleicht verdeutlicht hat - wir werden gleich darauf zurück kommen - gibt es viele Situationen, in denen wir die unbedingten Wahrscheinlichkeiten irgendeines Vorgangs nicht kennen, wohl aber die bedingten Wahrscheinlichkeiten.

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