Hauptvertreter des Föderalismusgedankens in Deutschland von der Neuzeit bis zum Ende des 19.Jahrhunderts

Eckhart Arnold

1 Einleitung
2 Föderalismusdiskussion in der frühen Neuzeit: Föderalismus oder Souveränitätslehre
    2.1 Der Föderalismusgedanke im Werk des Johannes Althusius
        2.1.1 Biographische Skizze
        2.1.2 Der Entwurf der „Politica methodice digesta“
            Würdigung
        2.1.3 Der Gegensatz zur Souveränitätslehre Bodins
3 Föderalismus und Machtkontrolle - Föderalistische Entwürfe der Aufklärungsepoche
4 19.Jahrhundert: Föderalismuskonzepte im Spannnungsfeld von sozialer und nationaler Frage
5 Schlußbetrachtung
Literaturverzeichnis

2.1.2 Der Entwurf der „Politica methodice digesta“

Obwohl Althusius ein ausgebildeter Jurist war, bestand er doch darauf, daß die Politikwissenschaft neben der Rechtswissenschaft und auch neben anderen Wissenschaften, wie Theologie oder Philosophie einen eigenständigen Platz einnehmen müsse. Im Unterschied zur Rechtswissenschaft beschreibt die Politikwissenschaft nach Althusius' Auffassung die Lebenssachverhalte, deren normative Regelung die Jurisprudenz behandelt. In diesem Sinne einer (eher) empirischen, die Wirklichkeit beschreibenden Wissenschaft ist auch Althusius „Politica“ zu verstehen[2] .

Was für eine große Rolle der Föderalismus in Althusius Werk spielt, wird schon daran deutlich, daß Althusius nicht mit einer Darstellung der zentralen und wichtigsten Institutionen des Staates beginnt, sondern daß er zunächst beschreibt, wie die einzelnen Individuen kleine Gemeinschaften bilden, wie diese Gemeinschaften sich zu größeren Einheiten zusammenfügen, und wie sich zu guter Letzt über mehrere Zwischenstufen hinweg aus solchen Einheiten schließlich der Staat konstituiert. Die aus natürlichen Gemeinschaften auf eine gewissermaßen organische Weise zusammengestzte Gesellschaft bezeichnet Althusius als consociatio symbiotica. An der untersten Stelle stehen dabei die einfachen und privaten Lebensgenossenschaften, womit Althusius vor allem Familie und Hausgemeinschaften meint. Sie sind nach Althusius naturgegeben und ihr Zusammenhalt beruht auf gegenseitigem Vertrauen und Hilfsbereitschaft.[3] Daneben enstehen privatrechtliche Genossenschaften, die freiwillig und unter Umständen auch nur auf bestimmte Zeit geschlossen werden. Zu diesen gehören vor allem die Berufsgenossenschaften. Die privatrechtlichen Genossenschaften verfügen über eigenes Recht und eigenes Eigentum. Durch gemeinsames Handeln und Erleben, sowie Einmütigkeit (concordia) und gegenseitiges Wohlwollen wird die Verbundenheit der weitgehend gleichberechtigten Mitglieder dieser Genossenschaften hergestellt. Es gibt nun verschiedene Klassifizierungen dieser Genossenschaften. Unter anderem können sie den Ständegruppen von Adel, Klerus oder drittem Stand zugeordnet werden[4] .

Über den einfachen Lebensgenossenschaften und den privatrechtlichen Genossenschaften stehen die besonderen und allgemeinen politischen Gemeinschaften. Die politischen Gemeinschaften umfassen stets ein bestimmtes Territorium und schließen alle privatrechtlichen Genossenschaften und Lebensgemeinschaften dieses Territoriums in sich ein. Anders als die privtrechtlichen Genossenschaften bestehen die politischen Gemeinschaften zumindest prinzipiell zeitlich unbegrenzt, und die Mitgliedschaft in ihnen ist nicht freiwillig, denn sie beruht auf einem Bund (pactus), was ausschließlich Gegenseitigkeit von Garantien und Verpflichtungen meint, und nicht auf einem Vertrag (contractus), der freiwillig geschlossen werden kann. Die politischen Gemeinschaften unterteilt Althusius wiederum in besondere bzw. engere und allgemeinere politische Gemeinschaften. Der wesentliche Unterschied zwischen diesen beiden Gemeinschaftstypen besteht darin, daß die engeren politischen Gemeinschaften (zu denen Dörfer, Gemeinden und Städte zählen) unmittelbar von den einzelnen Bürgern gebildet werden, während in den allgemeineren politischen Gesellschaften die Bürger nur mittelbar als Angehörige besonderer Gemeinschaften vertreten sind.[5] Die allgemeinste politische Gemeinschaft ist der Gesamtstaat.

Der Gesamtstaat setzt sich sowohl aus politischen Gemeinschaften als auch aus privatrechtlichen Genossenschaften zusammen. (Insbesondere die Ständeversammlungen spielen hierbei eine große Rolle). Die Herrschaftsgewalt (potestas universalis imperandi) in der allgemeinsten politischen Gemeinschaft wird von ihren Gliedern getragen. Hieren stellt sich Althusius in bewußten Gegensatz zur Souveränitätslehre Bodins,[6] nach der die Herschaftsgewalt allein dem Monarchen bzw. der Majestät zukommt. Althusius schließt sich jedoch insoweit der Souveränitätslehre an, als auch er von der Unteilbarkeit dieser Gewalt ausgeht. Auch erlaubt Althusius die Delegation der Herrschatfsgewalt an eine Vertretung, doch warnt er ausdrücklich davor die gesamte Macht einer einzelnen Person in die Hände zu legen.[7] Diejenigen, welche die Herrschaftsgewalt ausüben, bleiben an die Grenzen der ihnen übertragegenen Vollmachten gebunden. Überschreiten sie diese, so erlischt damit automatisch der Gerhorsamsanspruch gegenüber den Untertanen.[8]

[2] Vgl. die Eineitung von Althusius, in: Wolf (Hrsg.) (Wolf), a.a.O., S.3-12.

[3] Vgl. Wolf(Hrsg.) (Wolf), a.a.O., S.18ff.

[4] Vgl. Wolf(Hrsg.) (Wolf), a.a.O., S.25ff.

[5] Vgl. Johannes Althusius (Althusius): Politica. Faksimiledruck der 3.Auflage Herborn 1614, Meisenheim am Glan 1961, Cap. 9, Rn 5, S.168.

[6] Vgl. Althusius (Althusius), a.a.O., Cap. 9, Rn 20, S.170.

[7] Vgl. Althusius (Althusius), a.a.O., Cap. 9, Rn 19, S.170.

[8] Vgl. Althusius (Althusius), a.a.O., Cap. 18, Rn 41, S.289. - Zum Staats- und Gesellschaftsaufbau bei Althusius vgl. auch: Peter Jochen Winters: Die >>Politik<< des Johannes Althusius und ihre zeitgenössischen Quellen. Zur Grundlegung der politischen Wissenschaft im 16. und im beginnenden 17.Jahrhundert, Freiburg im Breisgau 1963, S.170ff. - Vgl. Otto v. Gierke (Gierke): Johannes Althusius und die Entwicklung der naturrechtlichen Staatstheorien. Nachdruck der 3.Auflage von 1913, Meisenheim am Glan 1958, S.226-263.

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