Hauptvertreter des Föderalismusgedankens in Deutschland von der Neuzeit bis zum Ende des 19.Jahrhunderts

Eckhart Arnold

1 Einleitung
2 Föderalismusdiskussion in der frühen Neuzeit: Föderalismus oder Souveränitätslehre
3 Föderalismus und Machtkontrolle - Föderalistische Entwürfe der Aufklärungsepoche
4 19.Jahrhundert: Föderalismuskonzepte im Spannnungsfeld von sozialer und nationaler Frage
    4.1 Karl Georg Winkelblech
    4.2 Constantin Frantz
5 Schlußbetrachtung
Literaturverzeichnis

4 19.Jahrhundert: Föderalismuskonzepte im Spannnungsfeld von sozialer und nationaler Frage

4.1 Karl Georg Winkelblech

Eng mit den sozialen Fragen seiner Zeit verknüpft ist das Föderalismuskonzept von Karl Georg Winkelblech.[24] Bei Winkelblech gewinnt das Wort Föderalismus eine umfassende Bedeutung. Er bezeichnet damit eine politische, wirtschaftliche und soziale Ordnung. Den Ausgangspunkt seiner Überlegungen bildet die föderale Eigentumsordnung. Dieser Begriff bezieht sich auf das Eigentum an natürlichen Resourcen (Naturkräfte). Die föderale Eigentumsordnung erlaubt jedem Menschen genau soviel Besitz an natürlichen Resourcen wie er mit seiner eigenen Arbeitskraft verwerten kann. Winkelblech grenzt diese Eigentumsordnung von der liberalen und kommunistischen Eigentumsordnung ab. Der liberalen Eigentumsordnung wirft Winkelblech vor, daß sie es Einzelnen erlaubt ihr Eigentum an den natürlichen Resourcen unbegrenzt zu erweitern. Dies führt, da die menschliche Arbeitskraft ohne natürliche Resourcen völlig nutzlos ist, zu einer geradezu sklavischen Abhängigkeit. Die föderale Eigentumsordnung betrachtet Winkelblech als ein Ideal, welches zwar nie ganz verwirklicht werden kann, an das aber eine Annährung möglich ist und - dies fordert die christliche Gerechtigkeit - angestrebt werden muß.

Dieses Ziel soll bei Winkelblech im Rahmen einer demokratischen politischen Ordnung verwirklicht werden. Das Regierungssystem teilt sich in gesetzgebende und Regierungskörperschaften, wobei die vollziehenden Organe den gesetzgebenden Organen untergeordnet sind. An der Spitze der Regierung steht ein Wahlkaiser, der für begrenzte Zeit aus dem Kreise eines Verdienstadels gewählt wird. Das gesamte politische System ist föderalistisch gegliedert, neben die Reichskammer treten Provinzialkammern, die in die Reichsgesetzgebung eingebunden sind.

Winkelblech betont ausdrücklich, daß es keine Trennung zwischen politischer und sozialer Ordnung geben dürfe, womit er vor allem meint, daß Privatwirtschaft und Privateigentum nicht völlig sakrosant seien dürfen und durch interventionsstaatliche Maßnahmen angetastet werden können. Winkelblech skizziert in seinem Werk auch ein in hohem Maße interventionsstaatliches Wirtschaftsmodell, in dem manche Bereiche ausschließlich öffentlich bewirtschaftet werden, und in dem die privatwirtschaftlichen Bereiche in Zünften gegliedert sowie durch eine Erwerbsordnung genau geregelt sind. Die Erwerbsordnung legt unter anderem Grenzen fest, bis zu denen private Betriebe wachsen dürfen.[25]

Winkelblechs Vorschläge sind nie in die Tat umgesetzt worden. Die Arbeiterbewegung, auf die er vor allem hatte Einfluß nehmen wollen, tendierte eher in eine rein sozialistische Richtung. Ob die Umsetzung seiner Ideen die sozialen Probleme der Mitte des 19.Jahrhunderts wirksam hätte bekämpfen können, kann deshalb bestenfalls hypothetisch entschieden werden. Es wäre die Frage zu stellen, ob Winkelblechs zünftliche Wirtschaftsordnung ebenfalls jene Entwicklungsdynamik entfaltet hätte, durch die der Industriekapitalismus mit seiner raschen Kapazitätsausweitung nach der Jahrhundertmitte den Pauperismus als das drängenste soziale Problem schließlich zum Verschwinden brachte.[26]

[24] Zur Biographie: Winkelblech wure 1810 in Ensheim bei Wörstadt in Rheinhessen geboren. Er studierte Pharmazie und Chemie. Sein Interesse an sozialen Fragen wurde geweckt als er 1843 in Norwegen bei einem Fabrikbesuch mit dem Elend der Arbeiter konfrontiert wurde. Winkelblech beschäftigte sich daraufhin intensiv mit sozialen und wirtschaftlichen Fragen. In den Jahren 48/49 versuchte er (allerdings ohne allzu großen Erfolg) Handerwerker und Arbeiter für seine Ideen zu gewinnen. Winkelblech starb im Jahre 1865. - Vgl. Ernst Deuerlein: Föderalismus. Die historischen und philosophischen Grundlagen der föderativen Prinzips, München 1972, S.102-106.

[25] Vgl. Karl Georg Winkelblech (alias Karl Marlo) (Winkelblech): Untersuchungen über die Organisation der Arbeit oder System der Weltökonomie. Ersten Bandes erste Abteilung. Historischer Teil, Kassel 1850, S.347-383.

[26] Zum Pauperismus vgl. Hans-Ulrich Wehler (Wehler): Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Zweiter Band. Von der Reformära bis zur industriellen und politischen „Deutschen Doppelrevolution“. 1815-1845/49, München 1987, S.281-296.

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