Hauptvertreter des Föderalismusgedankens in Deutschland von der Neuzeit bis zum Ende des 19.Jahrhunderts

Eckhart Arnold

1 Einleitung
2 Föderalismusdiskussion in der frühen Neuzeit: Föderalismus oder Souveränitätslehre
3 Föderalismus und Machtkontrolle - Föderalistische Entwürfe der Aufklärungsepoche
4 19.Jahrhundert: Föderalismuskonzepte im Spannnungsfeld von sozialer und nationaler Frage
    4.1 Karl Georg Winkelblech
    4.2 Constantin Frantz
        4.2.1 Kurzbiographie
        4.2.2 Deutschland als mitteleuropäische Föderation
        4.2.3 Ständischer Föderalismus statt repräsentative Demokratie
5 Schlußbetrachtung
Literaturverzeichnis

4.2 Constantin Frantz

4.2.1 Kurzbiographie

Ebenso wie Karl Georg Winkelblech und wie viele andere bedeutende Intelektuelle seiner Zeit ging Constantin Frantz aus einem protestantischen Pfarrhaus hervor. Er wurde 1817 zu Oberbörnecke in der Nähe von Halberstadt in der preußischen Provinz Sachsen geboren. Im Jahre 1836 begann Frantz an der Universität Halle Mathematik und Physik zu studieren. Obwohl er schließlich über ein mathematisches Thema promovierte, scheint ihn die Beschäftigung mit der exakten Naturwissenschaft nicht wesentlich geprägt zu haben. Dafür hörte Frantz, nachdem er 1839 nach Berlin gewechselt war, nebenher mit großem Interesse philosophische und historische Vorlesungen - letztere bei Leopold Ranke.[27] In philosophischer Hinsicht hat ihn, nach einer kurzen hegelianischen Phase, am nachhaltigsten die religiös gefärbte Gedankenwelt Schellings[28] beeinflußt. Etwa zur selben Zeit begann Frantz damit, kleinere Schriften und Zeitungsartikel zu Themen der Politik und Philosophie zu schreiben. Durch eine philosophische Schrift auf ihn aufmerksam geworden, stellte ihn 1844 der preußische Kultusminister Eichhorn im Ministerium ein. Seitdem hoffte Frantz auf eine politische Karriere. Diese schien sich zunächst auch recht günstig zu entwickeln und Frantz blieb - abgesehen von einer kleinen Unterbrechung durch die Revolution - bis 1862 im preußischen Staatsdienst. Während dieser Zeit publizierte Frantz unermüdlich und brüskierte, obwohl seine Schriften von durchaus konservativem Geist waren, durch seine eigenwilligen Meinungen immer wieder Vorgesetzte un Gönner. Dies und die Tatsache, daß die ihm angebotenen Posten oft nicht seinen ehrgeizigen Erwartungen entsprachen, trugen 1862 mit zu seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst bei. Seitdem hielt sich Frantz als freier Publizist über Wasser. Mit seinen politischen Ansichten geriet Frantz mehr und mehr in eine Außenseiterposition, zumal er als strikter Befürworter einer großdeutschen Lösung das 1871 entstandene Bismarckreich entschieden ablehnte. Constantin Frantz starb 1891 in einem kleinen Ort in der Nähe von Dresden.[29]

Unter den zahlreichen Publikationen von Constantin Frantz sind besonders hervorzuheben: Seine beiden Denkschriften „Polen, Preussen, Deutschland“(1848) und „Von der deutschen Föderation“(1850er Jahre), worin Frantz sein deutschlandpolitisches Konzept einer mulitnationalen, mitteleuropäischen Födertion entwirft; das 1859 entstandene Werk „Untersuchungen über das europäische Gleichgewicht“, worin er sich mit dem Zerfall des europäischen Gleichgewichtssystems auseinandersetzt und die Zunkunftsvision eines Systems von vier Weltmächten (Amerkia, Rußland, England, Frankreich) entwirft; schließlich Frantz' 1879 entstandenes Werk „Der Föderalismus, als das leitende Prinzip für die soziale, staatliche und internationale Organisation [...]“, in welchem Frantz den Begriff des Föderalismus als ein umfassendes, Staat, Gesellschaft und Wirtschaft prägendes Prinzip bestimmt[30] .

Auch wenn Frantz' Schriften sich fast immer auf aktuelle politische Vorgänge bezogen, soll im folgenden weniger die Gedankenentwicklung von Constantin Frantz und die historische Porblematik seiner Entwürfe thematisiert werden, sondern es wird versucht, die mehr oder weniger gleich bleibenden Grundideen seines Föderalismuskonzeptes darzustellen unter der Fragestellung, ob sich daraus möglicherweise Anknüpfungspunkte für die gegenwärtige Diskussion ergeben. Einer zeitgemäßen Interpretation von Frantz stellen sich jedoch einige Schwierigkeiten in den Weg, die vor allem auf Frantz' Denk- und Argumentationsstil beruhen. So sind Frantz' Schriften durchsetzt mit Romantizismen[31] und gelegentlich durch einen entschiedenen Antisemitismus stark verunziert.[32]

[27] Leopold v. Ranke(1795-1886), einer der bekanntesten deutschen Historiker, entickelte eine empirisch-quellenkritische Historiographie mit staatsfreundlich konservativer Tendenz. Zu seinen Grunddogmen gehörte das Individualitätsprinzip, nach welchem jeder Staat und jede Epoche ihren eigenen Gesetzen gehorcht, die nicht übertragbar sind. Dieser Gedanker findet sich auch bei Frantz wieder.

[28] Schelling (1775-1854) ist neben Fichte und Hegel einer der Hauptvertreter der philosophischen Schule des Deutschen Idealismus. Er erfand die Identitätsphilosophie nach welcher Natur und Geist eins sind. In seiner zunehmend religiös verbrämten Spätphilosophie, von der Frantz offenbar stark beeinflußt worden ist, deutet er die menschliche Geschichte als Heilsprozeß, in welchem sich Gott mit den Menschen vereinigt.

[29] Zur Biographie vgl.: Eugen Stamm (Stamm): Ein berühmter Unberühmter. Neue Studien über Konstantin Frantz und den Föderalismus, Konstanz 1948, S.143-157. - Vgl.: Paulus Franciscus Hermanus Lauxtermann (Lauxtermann): Romantik und Realismus im Werk eines politischen Außenseiters, Utrecht 1979, S.9-21.

[30] Zu den wichtigsten Schriften von Frantz mit ausführlichen Zitaten: Lauxtermann (Lauxtermann), a.a.O.

[31] Dazu gehören bei Frantz' unter anderem: Der Rückgriff auf ein mythisch verklärtes Mittelalter, vor allem auf ein idealisiertes heiliges römisches Reich deutscher Nation; die Vorstellung, daß alle Völker bzw. Nationen ein je eigenes Prinzip verkörpern und einen je eigenen und nur sehr bedingt wandelbaren Wesenscharakter haben; der Glaube, daß jeder Staat eine besondere Idee verkörpert bzw. verkörpern soll, was letzten Endes auf eine Sakralisierung der Politik hinausläuft; das organische Staatsdenken mit seiner deskriptiven wie normativen Überbetonung von geographischen und historischen Bestimmungsfaktoren; schließlich der Glaube an einen christlichen Missionsauftrag des Abendlandes und insbesondere Deutschlands.

[32] Der Antisemitismus von Constantin Frantz, der leider nicht auf das zu seiner Zeit auch unter Gebildeten durchaus geläufige Ressentiment beschränkt bleibt sondern - religiös begründet - mit seiner Theorie vom christlichen Missionsauftrag Deutschlands in plausiblem Zusammenhang steht, soll hier nicht weiter breit getreten werden. Zur Kostprobe immerhin: Constantin Frantz (Frantz/Foederalismus): Der Föderalismus als das leitende Prinzip für die sociale, staatliche und internationale Organisation, unter besonderer Bezugnahme auf Deutschland, Mainz 1879, S.352ff.

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