Hauptvertreter des Föderalismusgedankens in Deutschland von der Neuzeit bis zum Ende des 19.Jahrhunderts

Eckhart Arnold

1 Einleitung
2 Föderalismusdiskussion in der frühen Neuzeit: Föderalismus oder Souveränitätslehre
3 Föderalismus und Machtkontrolle - Föderalistische Entwürfe der Aufklärungsepoche
4 19.Jahrhundert: Föderalismuskonzepte im Spannnungsfeld von sozialer und nationaler Frage
    4.1 Karl Georg Winkelblech
    4.2 Constantin Frantz
        4.2.1 Kurzbiographie
        4.2.2 Deutschland als mitteleuropäische Föderation
        4.2.3 Ständischer Föderalismus statt repräsentative Demokratie
5 Schlußbetrachtung
Literaturverzeichnis

4.2.3 Ständischer Föderalismus statt repräsentative Demokratie

Man würde zweifellos ein falsches Bild von Konstantin Frantz bekommen, sähe man in ihm nur den Visionär einer europäischen Friedenslösung. Abgesehen davon war Konstantin Frantz nämlich ein entschiedener Reaktionär. Bereits 1846 hatte er - damals ein Angestellter des preußischen Kultusministeriums - ein scharfes Pamphlet gegen die „Constitutionellen“ verfasst. Unter den konservativen Theoretikern seiner Zeit war es üblich Liberalismus und Demokratie als eine verschärfte Form von Staatsabsolutismus zu betrachten und dementsprechend zu brandmarken. Auf dieser Schiene fährt auch Konstantin Frantz, wenn er den gesellschaftlichen Föderalismus als heilsames Prinzip dem demokratischen Repräsentativsystem entgegenstellt.

In seinem späten Werk zum Föderalismus weitet Frantz diesen Begriff zu einem umfassenden, die soziale wie die staatliche und internationale Ordnung umfassenden Prinzip aus. Frantz Ideen zur internationalen Ordnung wurden bereits dargestellt. Seine Vorschläge zur Gestaltung einer sozialen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung lehnen sich an Winkelblech an und werden daher hier nicht noch einmal besprochen. Bleibt die Frage, wie Frantz sich das föderale politische System denkt. Die wichtigsten grundsätzlichen Kritikpunkte,[43] die Constantin Frantz gegen das repräsentative System anführt sind:

  1. Echte Repräsentation ist unmöglich, da der Volkswille ohnehin nicht delegiert werden kann. Frantz untermauert dies durch eine Rechnung, die zeigen soll, daß bei Entscheidungen eines Repräsentativorganes in der Regel nur eine Minderheit des Volkes ihren Willen erhält.
     
  2. Die gesetzgebenden Organe werden von Leuten gewählt, die nichts von der Gesetzgebung verstehen (nämlich vom Volk). Aus diesem Grund hat eine Volkswahl auch höchstens innerhalb der kleinsten Einheiten (Städte, Gemeinden) sinn.
     
  3. Das Volk stellt beim Wahlakt keinen lebendigen Körper (d.h. keine durch organisierte Körperschaften strukturierte Gemeinschaft) mehr da, sondern einen bloßen Menschenhaufen. Dieser könne aber weder sinnvoll ein Repräsentationsorgan wählen noch durch den Wahlakt eine glaubhafte Legitimation bereitstellen. Die Vertreter sollten nach Frantz aus der Mitte von Körperschaften hervorgehen, da die Körperschaften über einen einheitlichen Geist verfügen, der auch ihre Vertreter durchdringt.

Constantin Frantz empfiehlt aus all diesen Gründen ein mehrstufiges System, bei welchem die Vetretungsorgane der umfassenderen Ebenen von Deligierten der jeweils niedrigeren Ebene gebildet werden. Nur auf Kreis- oder Gemeindeebene sollen Wahlen stattfinden. Außerdem schlägt Constantin Frantz eine zweite Kammer vor, die sich aus Vertretern der Stände und Berufsgenossenschaften zusammensetzten soll. Nach Frantz' Vorstellung von Föderalismus ist der Staatsbürger also nicht Bürger zweier Staaten (Gliedstaat und Gesamtstaat), sondern steht zumindest hinsichtlich seiner politischen Partizipationsrechte nur zur untersten Einheit des mehrstufigen Staates in unmittelbarer Beziehung.[44]

Es erübrigt sich, im Einzelnen gegen diese Auffassungen nun den Katalog von Standardargumenten für die repräsentative Demokratie und das allgemeine Wahlsystem herunterzubeten. Auffällig ist, wie gering Constantin Frantz die politische Mündigkeit des einzelnen Bürgers veranschlagt. Auch ordnet Frantz den Bürger völlig dem Kollektiv von Gemeinde bzw. Berufsgenossenschaft unter, so als wäre mit dieser Zugehörigkeit auch der politische Standpunkt schon vorgegeben. Mit diesem autoritären und kollektivistischen Zug erinnert Frantz ständischer Föderalismus nicht wenig an Althusius. Nur klingen solche Vorstellungen am Ende des 19.Jahrhunderts nicht so plausibel wie zu Beginn des 17.Jahrhunderts, weshalb denn auch Frantz empört forden muß, was Althusius noch mit gelassender Selbstverständlichkeit beschreiben konnte.

[43] Frantz entwickelt seine Kritik am politischen System des Kaiserreichs gegen das er einige sehr treffende Einwände erhebt (z.B.: Unausgewogenheit des Föderalismus durch die preußische Dominanz, ungenügende politische Kontrolle des Militärs). Hier sollen allerdings nur Frantz' prinzipielle Vorstellungen vom Design des politischen System dargelegt werden.

[44] Vgl. Constantin Franz (Frantz/Deutschland): Deutschland und der Föderalismus, a.a.O., S.7-37.

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