Hauptvertreter des Föderalismusgedankens in Deutschland von der Neuzeit bis zum Ende des 19.Jahrhunderts

Eckhart Arnold

1 Einleitung
2 Föderalismusdiskussion in der frühen Neuzeit: Föderalismus oder Souveränitätslehre
3 Föderalismus und Machtkontrolle - Föderalistische Entwürfe der Aufklärungsepoche
4 19.Jahrhundert: Föderalismuskonzepte im Spannnungsfeld von sozialer und nationaler Frage
    4.1 Karl Georg Winkelblech
    4.2 Constantin Frantz
        4.2.1 Kurzbiographie
        4.2.2 Deutschland als mitteleuropäische Föderation
        4.2.3 Ständischer Föderalismus statt repräsentative Demokratie
5 Schlußbetrachtung
Literaturverzeichnis

4.2.2 Deutschland als mitteleuropäische Föderation

Mehrfach hat Frantz Entwürfe für die staatliche Zukunft Deutschlands vorgelegt, denen allen gemeinsam ist, daß Deutschland darin als eine offene mitteleuropäische Föderation beschrieben wird. So empfielt Frantz etwa in der 1860 erschienen Denkschrift „Dreiunddreißig Sätze über den deutschen Bund“[33] einen deutschen Staat zu bilden, in welchem Preußen, Österreich und die restlichen Bundesgebiete als drei gleichberechtigte Partner vertreten seien sollten. Dieser Staat sollte jedoch nicht als nach außen abgeschlossener Nationalstaat entstehen (ohnehin würde er bereits mehrere Nationalitäten umfassen), sondern es sollte zumindest kleineren Nachbarstaaten ermöglicht werden, sich dieser Föderation ebenfalls anzuschließen.[34]

Schon in früheren Schriften hatte Frantz - damals allerdings noch stärker aus preußischer Sicht - Vorschläge zu einer deutsche-österreichisch-preußischen Föderation vorgelegt.[35] Bemerkenswert sind insbesondere seine Denkschriften zur Polenfrage, worin er die Bildung einer preußisch-polnischen Föderation empfiehlt. Frantz sieht in einer solchen Föderation eine Möglichkeit die berechtigten nationalen Ansprüche der polnischen Bevölkerung (freilich nicht die demokratischen Ansprüche der polnischen Freiheitsbewegung) zum beiderseitigen Vorteil mit den Interessen Preußens zu versöhnen.[36]

Daß der Föderalismus für Frantz nicht bloß ein Mittel zur Lösung politischer Gestaltungsfragen in Mitteleuropa sondern auch Selbstzweck ist, geht besonders daraus hervor, daß Frantz auch nach der Reichsgründung entschieden an seinen föderalistischen Plänen für Deutschland festhielt und das Bismarcksche Reich unter diesem Aspekt scharf kritisierte.[37]

Aus den verschiedenen Föderalismus-Entwürfen lassen sich in etwa folgende wesentliche Merkmale herausfiltern:

Abgesehen von seinen Ausflügen in die politische Romantik erscheinen Frantz' Gedanken in mancherlei Hinsicht zukunftsweisend. Dies gilt besonders für seine Relativierung der Bedeutung des Nationalstaates und auch für den von ihm nahegelegten Politikstil, welcher - im Gegensatz zum rein egoistischen Machtstaatsdenken - bei vernünftiger Berücksichtigung des Eigeninteresses die Rechte anderer anerkennt (was am deutlichsten in seinen Schriften zur Polenfrage zum Ausdruck kommt). Dieser Eindruck relativiert sich jedoch wieder, wenn man untersucht, wie Frantz sich den inneren Aufbau seines föderalen Staates denkt.

[33] Vgl. Lauxtermann, a.a.O., S.58ff. - Frantz zog mit dieser Schrift ebenso wie mit den zuvor erschienen „Untersuchungen über das europäische Gleichgewicht“ die Konsequenzen aus dem Krimkrieg, der für ihn den Zerfall des pentarchischen Gleichgewichtssystems markierte.

[34] Ob allerdings Belgien oder die Schweiz begeistert gewesen wären sich als Juniorpartner einer deutschen Föderation anzuschließen ist fraglich. Auch wäre die von Frantz angebotene Alternative zum Deutschen Reich wohl wesentlich schwieriger zu verwirklichen gewesen als das Bismarckreich. Vgl. Lauxtermann (Lauxtermann), a.a.O., S.66-78. - Vgl. auch Golo Mann (Mann): Deutsche Geschichte des 19. und 20.Jahrhunderts, Frankfurt /M 1992, S.392f.

[35] Vgl. Constantin Frantz (Frantz/Foederation) : Von der deutschen Föderation, Siegburg 1980 (zuerst Berlin 1851).

[36] Constantin Frantz (Frantz/Polen): Polen, Preussen und Deutschland. Ein Beitrag zur Reorganisation Europas. Faksimiledruck der Ausgabe Halberstadt 1848, Siegburg 1969. - Constantin Frantz: Betrachtungen über den Polonismus im Großherzogtum Posen und die damit zusammenhängenden politischen Verhältnisse, abgedruckt ebda., S.61ff. - Frantz Polen-Schrift muß freilich vor dem Hintergrund der Zeit interpretiert werden, in welcher neben einer nur sehr kurzlebigen Polenbegeisterung bei den Liberalen die Politik der preußischen Regierung durch den rücksichtslosesten Interessenegoismus bestimmt wurde. Heutzutage würde eine solche Schrift wegen der darin immer noch deutlich zum Ausdruck kommenden Überheblichkeit Empörung hervorrufen.

[37] Vgl. Constantin Frantz (Frantz/Foederalismus): Der Föderalismus als das leitende Prinzip für die sociale, staatliche und internationale Organisation, unter besonderer Bezugnahme auf Deutschland, Mainz 1879, S.220ff.

[38] Vgl. Frantz (Frantz/Foederation): Von der deutschen Föderation, a.a.O., S.87-122.

[39] Vgl. Constantin Frantz (Frantz/Deutschland): Deutschland und der Föderalismus, Hellerhau 1917, S.38ff.

[40] Vgl. Lauxtermann (Lauxtermann), S.58ff.

[41] Vgl. Novalis (Novalis): Die Christenheit oder Europa. Und andere philosophische Schriften, Köln 1996, S.23-43.

[42] Vgl. Frantz (Frantz/Deutschland): Deutschland und der Föderalismus, a.a.O., S.154-216.

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