Vorlesungsskript: Grundlagen des Entscheidens I |
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Aber zunnächst zu den intrinsischen Gründen. Es gibt drei wesentliche Eigenschaften der Entscheidungs- und Spieltheorie, die ihre Reichweite und Erklärungsfähigkeit von vorn herein drastisch einschränken und sie als umfassende Theorie menschlichen Handelns untauglich erscheinen lassen:
(Im Allegemienen bekennt sich die Volkswirtschaft zur Empirie, aber es gab und gibt immer wieder starke rationalisitsche Strömungen, die darauf Zielen, die Richtigkeit ihrer Annahmen a priori und aus ersten Prinzipien ableiten zu wollen. Bekanntester historischer Vertreter dieser Tendenz ist Ludwig von Mieses.)
Hinzu kommt, dass sich zyklische, und damit nicht-transitive Präferenzen manchmal auf ganz natürliche Weise ergeben können, wie z.B. beim Knobeln: Stein schleift (sprich: ist vorzuziehen gegenüber) Schere, Schere schneidet Papier, aber Papier wickelt Stein.
In der Praxis kann man Modelle die sich auf sie stützen ggf. immer noch indirekt überprüfen, sofern sich aus ihnen empirisch enscheidbare Konsequenzen ableiten lassen. Es wird dann gerne so argumentiert, dass es nur auf die Richtigkeit der Prognose und nicht so sehr auf den Realismus oder auch nur die Gültigkeit der Voraussetzungen ankommen (so etwa Milton Friedmann). Diese Rechtfertigung wäre dann überzeugend, wenn uns die Volkswirtschaftslehre andauernd mit erstklassigen Prgnosen beliefern würde. Das ist aber gerade nicht der Fall. Das Kriterium der erfolgreichen Prognosefähigkeit taugt daher am allerwenigsten zur wissenschaftstheoretischen Rechtfertigung der Entscheidungs- und Spieltheorie. Es würde eher noch gegen diese Theorien als dafür sprechen.
Wegen der Wichtigkeit dieses zentralen Problems der Entscheidungstheorie, sei die Argumentation an dieser Stelle noch einmal wiederholt: Sofern man überhaupt zugesteht, das nicht alle Präferenzen über alle Gegenstände oder "Güterbündel" sofort da sind, sondern dass zumindest einige Präferenzen erst aus anderen gebildet werden, tritt das an folgendem Beispiel veranschaulichte Problem auf:
Jemand möchte einen Kühlschrank kaufen, weiß aber nicht, welches von mehreren zur Auswahl stehenden Modellen für ihn oder sie das geeignetste ist. Die Person möchte, dass der Kühlschrank billig, energiesparend und zuverlässig. hinsichtlich jeder dieser Kriterien oder auch "Dimensionen" könnte user Käufer bzw. unsere Käuferin die Kühlschränke in der präferierten Weise anordnen. Aber bei dem Versuch eine Präferenzordnung über die Kühlschränke zu bilden, die alle drei Dimensionen auf einmal berücksichtigt, zeigt der Satz von Arrow, dass sich im Allgemeinen keine Präferenzordnung finden lässt, die noch allen Axiomen genügt, die per Definition für Präferenzen gelten müssen.
Da solche multikriteriellen Entscheidungsprobelme eher die Regel sein dürften, heißt das, dass aus den Grundannahmen (Axiomen) der Entscheidungstheorie folgt, dass in vielen in der Praxis auftretenden sehr Entscheidungssituationen eben diese Grundannahmen nicht gelten können bzw. das eine widerspruchsfreie Anwendung der Entscheidungstheorie oft nicht möglich ist.
Wie bei der Sozialwahltheorie kann man dann eine Vielzahl möglicher Auswege finden, die aber in der ein- oder anderen Weise eine Aufweichung der Axiome erfordern, was zeigt, dass man die Gültigkeit dieser Axiome eben nicht dogmatisch voraussetzen kann.
Fasst man diese drei Punkte zusammen, so haben wir es bei der Entscheidungs- und Spieltheorie als mit einer Theorie zu tun, die erstens auf unrealistischen Annahmen, und zweitens auf nicht messbaren Größen beruht, und die drittens darüber hinaus noch partiell selbstwiderprüchlich ist! Es ist offensichtlich, dass eine Theorie, die diese drei Eigenschaften vereint, eine ziemlich miserable Theorie ist.