Vorlesungsskript: Grundlagen des Entscheidens I |
Inhalt |
Spiele im Sinne der Spieltheorie ähneln im wirklichen Leben am ehesten einfachen Brett- oder Kartenspielen, wie Mühle oder Schach oder Skat. Einer oder mehrere Spieler spielen dabei gegeneinander, wobei sie in einer Folge von Runden aus einer wohldefinierten Menge von möglichen Spielzügen entsprechend ihrer Strategie jeweils einen Zug wählen. Das Ergebnis des Spiels (Gewinn oder Verlust bzw. die Höhe des Gewinns oder des Verlusts) hängt dabei von den Zügen aller Spieler und bei manchen Spielen zusätzlich vom Zufall (z.B. der Würfel oder Kartenverteilung) ab.
Ein Spiel im Sinne der Spieltheorie besteht dabei immer mindestens aus folgenden Komponenten:
Bei bestimmten Arten von Spielen kommen noch weitere Komponenten hinzu:
Hat ein Spiel mehrere Runden und stehen jedem Spieler in jeder Runde dieselben möglichen Züge offen, dann spricht man auch von einem wiederholten Spiel. Grundsätzlich kann man jedes wiederholte Spiel auch als ein komplexes einfaches Spiel auffassen. Es ist eher eine Frage der Konvenienz, ob man solche Spiele als wiederholte Spiele analysiert.
Bei einfachen Spielen bestehen die Strategien nur aus einem Zug, so dass Züge und Strategien zusammenfallen. Man kann in diesen Fällen die Ausdrücke „Zug“ und „Strategie“ auch Synonym gebrauchen.
Zufallsereignisse können dabei so modelliert werden, dass ein zusätzlicher Spieler „Natur“ eingeführt wird, dessen Züge die zufälligen Ereignisse repräsentieren und der über seine Züge mit den Wahrscheinlichkeiten der Zufallsereignisse randomisiert. Es ist zu berücksichtigen, dass für die Spielerin „Natur“ keine Rationalität vorausgesetzt werden kann. Eine alternative Art der Modellierung des Einflusses von Zufallsereignissen besteht darin, die Ergebnisse der Spieler durch Lotterien über Ergebnisse entsprechend den Wahrscheinlichkeiten der Zufallsereignisse zu ersetzen.
Es könnte an dieser Stelle die Frage auftreten, wo die für Spiele im Alltagsleben (z.B. Brettspiele oder Kartenspiele) konstitutiven Regelwerke in die Theorie eingehen. Solche Regelwerke werden implizit bei der Angabe der möglichen Züge und bei der Angabe der Ergebnisse berücksichtigt. Die möglichen Züge beim Sachspiel sind eben alle diejenigen Züge, die nach den Regeln für das Schachspiel erlaubt sind. Die Ergebnisse (Gewinn, Verlust, Remis) sind ebenfalls durch das Regelwerk festgelegt, d.h. umgekehrt: Indem man festlegt, wann welcher Spieler welches Ergebnis erhält, hat man automatisch die entsprechenden Regeln bezüglich Gewinn und Verlust des Spiels in der Spielspezifikation berücksichtigt. Daher bildet das Regelwerk in der Spieltheorie keine eigene Komponente der Spielspezifikation.
Ähnlich wie schon bei der Entscheidungstheorie bildet das Problem der richtigen Problemspezifikation eine keinesfalls triviale Schwierigkeit bei der Anwendung der Spieltheorie auf empirisch auftretende Beispiele von strategischer Interaktion. So wie man etwa bei der Entscheidungstheorie alle in Frage kommenden Handlungsalternativen und alle für das Ergebnis kausal relevanten Zufallsereignisse angeben muss, ist es bei der Anwendung der Spieltheorie in der Regel erforderlich alle strategischen Optionen zu kennen und anzugeben. Will man die Spieltheorie etwa auf die strategische Interaktion zwischen verfeindeten Armeen im Krieg anwenden, dann kann die Erfindung neuer Taktiken und Strategien der spieltheoretischen Kalkulation einen Strich durch die Rechnung machen. Auf derartige Probleme sei hier jedoch nur hingewiesen. Im Folgenden beschäftigen wir uns zunächst mit der „reinen“ Spieltheorie als solcher. Anwendungsbeispiele werden wir in der nächsten und in der letzten Vorlesung besprechen.
Was die Spieltheorie leisten kann, sofern es uns gelingt einen empirischen Fall strategischer Interaktion angemessen zu spezifizieren ist zweierlei:
Es ist jedoch zu beachten, dass die spieltheoretische Beschreibung strategischer Interaktion nicht immer möglich ist, z.B. wenn keine Klarheit über die verfügbaren strategischen Optionen besteht. Und auch wenn sie möglich ist, besteht die Gefahr, dass die spieltheoretische Beschreibung die wesentlichen Aspekte des empirischen Problems eher verdeckt, z.B. indem die außerhalb der Wirtschaftswissenschaften oft schwierigen Probleme der Bewertung von Ergebnissen in den Auszahlungsparametern (bzw. den Nuzenwerten) „versteckt“ werden.
In der Empirie zeigt sich jedoch, dass das beobachtbare Spielerverhalten von der spieltheoretischen Lösung häufig stark abweicht.