Der Einsatz evolutionärer Computermodelle bei der Untersuchung historischer und politischer Fragestellungen

Eckhart Arnold

1 Einleitung
2 Evolutionäre Erklärungen
3 Computermodelle zur Simulation evolutionärer Vorgänge
4 Beispiele für evolutionäre Erklärungsansätze im Bereich der Kulturwissenschaften
    4.1 Die evolutionäre Erklärung historischer Prozesse
    4.2 Evolutionäre Stabilität ethischer Normen
5 Zitierte Literatur
6 Anhang: Programmcode des Computerturniers

4.2 Evolutionäre Stabilität ethischer Normen

Zu guter Letzt soll noch eine Anwendungsmöglichkeit evolutionärer Theorien im Bereich der Ethik diskutiert werden. Dass evolutionäre Theorien herangezogen werden können, um die Entstehung von moralischen und rechtlichen Normen empirisch zu erklären, bedarf nach dem bisher gesagten keiner weiteren Begründung mehr. Dass ein evolutionärer Ansatz aber auch bei der Diskussion der philosophischen Frage weiter helfen kann, welche Normen denn nun gelten sollen, erscheint auf den ersten Blick alles andere als einleuchtend. Schließlich gilt es seit David Hume als ein ehernes Gesetz, dass man nicht von Tatsachen auf Normen schließen kann, so daß insbesondere die Tatsache, dass sich irgendwelche Normen evolutionär durchgesetzt haben, keineswegs besagt, dass diese Normen auch gut und richtig sind.

Dennoch kann der Gegensatz zwischen Sein und Sollen überbrückt werden, wenn man ein (zwangsläufig) normatives Prinzip einführt, das einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Ebenen ausdrücklich herstellt. In der Tat enthalten fast alle vorkommenden ethischen Systeme mit Ausnahme solcher, die man im Sinne Max Webers als rein „gesinnungsethisch“ charakterisieren müsste, explizit oder implizit derartige Prinzipien. Gerade im Bereich der politischen Moral wird gemeinhin ein Prinzip angenommen, das besagt, dass keine politisch-ethische Norm Gültigkeit beanspruchen kann, deren Befolgung der Selbstaufgabe des eigenen Landes gleichkommt.[7] Man könnte dieses Prinzip das Prinzip der Realitätsadäquatheit nennen.

Der Begriff der evolutionären (bzw. kollektiven) Stabilität könnte nun zur näheren Konkretisierung dieses Prinzips verwendet werden. Dadurch wäre zweierlei gewonnen: Zum einen würde der Fehlschluss vermieden werden, dass dem Realitätsadäquatheitsprinzip nur durch ein besonders rücksichtsloses und nationalegoistisches Verhalten genüge getan werden könnte (ein Fehlschluss zu dem die Schule des „Politischen Realismus“ manchmal neigt), da es eine gewisse Bandbreite evolutionär stabiler Verhaltensweisen gibt, darunter - wie zuvor gezeigt - auch solche die grundsätzlich eher kooperativ ausgerichtet sind.[8] Zum anderen bleibt es möglich, allzu illusorische oder idealistische Normforderungen wie z.B. einen kategorischen Pazifismus wohlbegründet abzuweisen.

[7] Das soll nicht bedeuteten, dass es nicht auch Extremfälle gibt, in denen die Selbstaufgabe des eigenen Landes das kleinere von zwei Übeln ist.

[8] Durch das Kriterium der evolutionären Stabilität wird also die politsch-ethische Entscheidung nicht schon erübrigt, womit den Entscheidungsträgern freilich auch die Übernahme von Verantwortung (für ihre normative Wahl) nicht erspart bleibt.

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