Der Einsatz evolutionärer Computermodelle bei der Untersuchung historischer und politischer Fragestellungen

Eckhart Arnold

1 Einleitung
2 Evolutionäre Erklärungen
    2.1 Eine allgemeine (axiomatische) Evolutionstheorie als Grundlage
    2.2 Die Anwendung der allgemeinen Evolutionstheorie auf kulturwissenschaftliche und historische Fragestellungen
3 Computermodelle zur Simulation evolutionärer Vorgänge
4 Beispiele für evolutionäre Erklärungsansätze im Bereich der Kulturwissenschaften
5 Zitierte Literatur
6 Anhang: Programmcode des Computerturniers

2 Evolutionäre Erklärungen

2.1 Eine allgemeine (axiomatische) Evolutionstheorie als Grundlage

Bevor der Versuch unternommen wird, gesellschaftliche Vorgänge evolutionär zu erklären, ist es notwendig, sich einen möglichst klaren Begriff davon zu bilden, was ein evolutionärer Prozess ist. Nur so wird es später möglich sein zu unterscheiden, ob ein evolutionärer Erklärungsversuch tatsächlich eine Erklärung liefert, oder ob es sich nur um die erzählerische Beschreibung eines historischen Vorgangs in einem evolutionswissenschaftlichen Jargon handelt. Gefordert ist also zunächst eine allgemeine Theorie der Evolution.

Für eine solche Theorie wird hier zunächst auf die bei Schurz (Schurz 2001) beschriebene axiomatische Evolutionstheorie zurückgegriffen. Anschließend soll auf die Frage eingegangen werden, ob eine Evolutionstheorie in dieser Form als Erklärungsgrundlage bereits gehaltvoll genug ist, und wie sie für die Erklärung kultureller Phänomene fruchtbar gemacht werden kann.

Die axiomatische Evolutionstheorie besagt folgendes: Evolution, d.h. die Entwicklung von „Organismen“ zu immer angepassteren („fitteren“) Formen, findet mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit statt, wenn vier grundlegende Bedingungen erfüllt sind, die Schurz mit folgenden Worten beschreibt.:

(Schurz 2000, 329f., 335; vgl. auch Wieser 1994b, 16)

Natürlich sind es im Bereich der Kulturwissenschaften nicht Organismen, die sich entwickeln, sondern soziale Normen und Institutionen. Aber die Gesetzmäßigkeiten sind genau dieselben. Reichen aber diese vier Bedingungen bereits hin, um ein bestimmtes Phänomen evolutionär zu erklären?

Man könnte einwenden, dass ein wesentlicher Aspekt bei dieser axiomatischen Evolutionstheorie eher verschleiert wird, nämlich die Tatsache, dass die Existenzmöglichkeit (und damit auch die Möglichkeit der Evolution) bestimmter Organismen auch von ontologischen Voraussetzungen abhängig ist. Dass sich z.B. ein Vogelflügel in der Evolution hat entwickeln können, war nur möglich, weil das System Luft-Vogelflügel aufgrund der Gesetze der Aerodynamik tatsächlich funktionert. Nun sind derartige ontologische Voraussetzungen zwar implizit in der Bedingung S enthalten. Aber es ist nicht unwichtig, sich vor Augen zu halten, dass in die Bedingung S zum Teil sehr anspruchsvolle ontologische Voraussetzungen eingehen können. Dies bedeutet, dass das Erfülltsein von S im Einzelfall sehr schwer nachzuweisen sein dürfte, da dies die Klärung der ontologischen Möglichkeitsbedingungen erfordert.

t g+ f @