Auch wenn Kuhns Theorie der Wissenschaftlichen
Revolutionen sich nicht im Besonderen mit Validierung befasst, kann die
Validierung von Simulationen in verschiedener Weise auf Kuhns Theorie bezogen
werden: 1) Computersimulationen werden manchmal als ein Zwischending von
Experimenten und theoretischen Überlegungen dargestellt. Verlangt dies eine neue
Art von Forschungslogik, die sich von dem klassischen Paradigma mit seiner
klaren Trennung von Theorie und empirischer Beobachtung absetzt? Ich erkäre,
weshalb dies nicht der Fall ist. 2) Ein weiteres Merkmal von
Computersimulationen ist deren "Buntgemischtheit" (Winsberg 2003) im Hinblick
auf die Vielfalt von Prämissen, die in sie eingehen. Eine Möglich Folge davon
besteht darin, dass es im Falle des Scheiterns schwer sein kann, festzustellen,
welche der Prämissen dafür verantwortlich ist. Könnte dies als Unterstützung für
Kuhns gemäßigten Relativismus im Bezug auf die Theoriewahl verstanden werden?
Ich vertrete, dass es nicht notwenig ist, sich über den Relativismus im Hinblick
auf Computersimulationen besondere Sorgen zu machen. 3) Speziell dem Feld der
sozialen Simulationen fehlt noch ein gemeinsames Verständnis der Anforderungen
der empirischen Validierung von Simulationen. Bedeutet dies, dass die sozialen
Simulationen sich noch in einem vorwissenschaftlichen Stadium im Sinne Kuhns
befinden? Meine Schlussfolgerung ist, dass trotz fortschreitender Bemühungen in
diesem Bereich Qualitätsstandards einzuführen, der Mangel an hinreichender
Validierung immer noch ein Problem in vielen publizierten Simulationsstudien
darstellt, und dass zumindest weite Teile der sozialen Simulationen als
vorwissenschaftlich eingestuft werden müssen.
Veröffentlicht: Beisbart, C. and Saam, N. J. (Hrsg.): Computer Simulation Validation - Fundamental Concepts, Methodological Frameworks, and Philosophical Perspectives, Springer 2019.