Obwohl seine wichtigsten Werke geistesgeschichtlicher bzw. geschichtsphilosophischer Natur waren, verstand Eric Voegelin sich selbst Zeit seines Lebens in erster Linie als Politikwissenschaftler. Er betrachtete es als seine vornehmste Aufgabe, mittels der Auslegung religiösen und philosophischen Schrifttums unser politisches Ordnungswissen wiederzuerwecken, welches sich - seiner Ansicht nach - auf eine authentische, durch die Worte der großen Denker und Propheten angeregte Transzendenzerfahrung gründen muss, und dass uns - wie Voegelin glaubte - infolge neuzeitlicher geistiger Säkularisierungsprozesse weitgehend abhanden gekommen ist. Voegelin war überzeugt, dass die westlichen Gesellschaften allein auf diese Weise der Versuchung durch totalitäre Ideologien auf Dauer würden widerstehen können.
In seiner frühen Schaffensphase (bis 1938) neigte Eric Voegelin einem autoritären Konservativismus zu. Zeitweise versuchte er sich innerhalb des nationalsozialistischen politischen Diskurses zu positionieren. Dazu verfasste er zwei Bücher zur Rassentheorie, die als konstruktiv-kritischer Beitrag zum Rassismus als "politischer Idee" zu verstehen sind, keineswegs als Kritik des Rassismus wie Voegelin das später behauptet hat. Andernfalls hätte er seine Bücher kaum führenden Nazi-Ideologen wie Alfred Bäumler und Ernst Krieck zugeschickt, dem gegenüber er seine arische Abstammung zudem ausdrücklich hervorgekehrt hat. Eindeutig kritisch hat sich Voegelin mit dem Rassismus erst später im amerikanischen Exil auseinandergesetzt. Auch sein Buch über den autoritären Ständestaat Österreichs sucht noch die Nähe zu faschistischen und nationalsozialistischen Theoretikern. Seine Versuche in im nationalsozialistischen Deutschland eine Professur zu bekommen, blieben jedoch erfolglos. Mit der Schrift "Die Politischen Religionen" wandte er sich 1938 dann erstmals gegen den Nationalsozialismus. Als Österreich wenige Monate nach deren Veröffentlichung dem Deutschen Reich angeschlossen wurde, musste Voegelin, der zu dieser Zeit in Wien lebte und wirkte, vor der Gestapo fliehen. Er emigrierte mit seiner Frau Lissy Voegelin nach Amerika, wo er in Baton Rouge in Louisiana Fuß fassen konnte. Die Zeit in Baton Rouge darf mit Fug und Recht als die wichtigste Schaffensphase in Voegelins Leben gelten: Hier entstanden die ersten drei Bände seines Hauptwerkes "Order and History", und während dieser Zeit verfasste er seine kämpferische Programmschrift: "Die neue Wissenschaft der Politik".
Das wesentliche Merkmal dieser Schaffensphase Voegelins ist seine entschiedene Hinwendung zum Christentum und zur antiken Philosophie. Hatte Voegelin bereits in den dreißiger Jahren mehr oder weniger deutlich einer Mythisierung der Politik das Wort geredet, so schält sich in Voegelins Denken nun mehr und mehr die christliche Religion in Verbindung mit einer sehr christlich interpretierten antiken Philosophie als der vermeintliche Wahrheitskern ("the true story") seiner politischen Mythologie heraus. Gleichzeitig verschärft sich Voegelins Polemik gegen die Säkularisierungstendenzen der Neuzeit, in denen er die Hauptursache für die Entstehung des Totalistarismus zu erkennen glaubt. Mag man diese allzu naive Interpretation heutzutage auch belächeln, so muss man doch einräumen, dass in den 50er Jahren die Rückbesinnung auf die christlichen Werte eine vernünftige Reaktion auf die Exzesse des Nationalsozialismus war. (Dasselbe hätte natürlich auch für eine Rückkehr zu den Werten der Aufklärung gegolten, was Voegelin aber kaum zugegeben hätte.) Nur wird der vermeintliche Abfall vom Christentum dadurch noch nicht zu einer brauchbaren wissenschaftlichen Erklärung für das Auftreten des Totalitarismus.
Im Jahre 1958 kehrte Voegelin noch einmal nach Europa zurück, wo er für rund ein Jahrzehnt Politische Wissenschaft in München lehrte. Als er am Ende dieser Zeit wieder nach Amerika wechselte, wo er noch bis zu seinem Tod als Gelehrter wirken konnte, war Voegelin in Deutschland ziemlich aus der Mode gekommen. Dass er durchaus auch unter 68ern Anhänger fand, könnte mit seinem oft scharfen Moralismus zusammen hängen und damit, dass er die nationalsozialistische Vergangenheit Deutschlands im Hörsaal recht offen zum Thema machte, wobei er seine eigene frühere Sympathie for den Nationalsozialismus freilich leugnete.
Voegelin starb 1985 in Palo Alto in Kalifornien.
Wer einen Einstieg in die Philosophie Eric Voegelins sucht, dem empfehle ich zu Voegelins "Autobiographischen Reflexionen" zu greifen. Dieses Buch ist die wahrscheinlich am leichtesten zu lesende Einführung in Voegelins (Spät-)philosophie. Als historische Quelle ist es jedoch nicht immer zuverlässig. Weitere Informationen zu Voegelin gibt es auf den Web-Seiten des Eric Voegelin Institute in Louisiana oder des Eric Voegelin Archivs in München.
Meine eigene Meinung über Eric Voegelin ist eher kritisch. Die Einführung religiöser Prämissen in die Wissenschaft ist an sich schon fragwürdig. Das Hauptproblem von Voegelins Ansatz sehe ich aber darin, dass seine religiös fundierte politische Philosophie darauf hinausläuft Menschen, denen ein Mangel an spiritueller Offenheit unterstellt wird, von der politischen Partizipation auszuschließen. Wollte man das in der Praxis umsetzen, so wäre das Ergebnis ein Gottesstaat, wie er im Iran herrscht. Die Bedeutung spiritueller Offenheit für die politische Ordnung ist schon deshalb zweifelhaft, weil zwischen dem Mangel an spiritueller Offenheit, wie Voegelin sie versteht, und politischer Unordnung augenscheinlich gar kein Kausalzusammenhang besteht. So ist für Voegelin beispielsweise das Maximum an spiritueller Bewusstseinshelle im mittelalterlichen, vorreformatorischen Christentum erreicht worden. Wie das mit Ketzerverfolgungen, Hexenverbrennungen, Kreuzzügen und Judenprogromen zu vereinbaren ist, also politischen Unordnungsphänomenen, die ohne die Herrschaft der christlichen Religion im Mittelalter in der Form kaum denkbar gewesen wären, kann Voegelin freilich nicht erklären.
Soweit es gesetzlich möglich ist, verzichtet Eckhart Arnold auf alle Rechte an der Kurzbiographie Eric Voegelin (1901 - 1985): Politikwissenschaftler und Geschichtsphilosoph. Das Werk wurde in Deutschland veröffentlicht.