Die Bewußtseinsphilosophie Eric Voegelins (als Grundlage politischer Ordnung) |
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Wenn Voegelins Philosophie nichts hergibt, und seine politische Ordnungsvorstellung nichts taugt, wäre es dann nicht besser, Eric Voegelin ganz zu vergessen? Zwei wichtige Gründe lassen es, trotz aller Kritik, wünschenswert erscheinen, Eric Voegelin dem drohenden Vergessen zu entreißen. Zum einen ist da Voegelins imposante Gelehrsamkeit. Voegelins Interpretationen der Klassiker des politischen Denkens fallen zwar häufig sehr eigenwillig aus - nicht zuletzt deshalb, weil sich Voegelin meist nur auf ganz bestimmte und scheinbar willkürlich ausgewählte Textpassagen bezieht. Aber Voegelins Auswahl vollzieht sich fast immer vor dem Hintergrund einer profunden Kenntnis des Gesamtwerkes. Wenn Voegelin daher auch die falsche Quelle ist, um sich über die Klassiker des politischen Denkens zu informieren, so dürften Kenner eines Denkers, den Voegelin behandelt hat, bei Voegelin fast stets einen ausgefallenen Kommentar auf dem allerhöchsten Niveau finden.
Als zweiter Grund, und als das eigentliche Vermächtnis Voegelins, gilt es die bedeutende kulturwissenschaftliche Horizonterweiterung festzuhalten, die die Politologie durch Eric Voegelin erfahren hat. In dieser Hinsicht ist Voegelin gerade in der heutigen Zeit von großer Aktualität, denn der Umgang mit fremden Kulturen erfordert auch für die Politik und die Politische Theorie nicht nur eine Kenntnis der Gesetze und Spielregeln von Diplomatie und Außenpolitik, sondern auch ein Verständnis dieser Kulturen. Wenn es um Fragen der Weltpolitik und der zukünftigen Weltordnung geht, hat Voegelin daher noch immer ein gewichtiges Wort mitzureden. Dabei ist zu hoffen, daß Voegelins Denken als Vorbild für ein einfühlendes Verständnis fremder Kulturen dient, und nicht im Fahrwasser von Samuel Huntingtons „Zusammenprall der Kulturen“ zur düsteren Prophetie unüberbrückbarer Gegensätze mißbraucht wird.[399]
Von entscheidender Bedeutung für die Nachwirkung Eric Voegelins dürfte es jedoch sein, daß die Diskussion um Voegelins Werk mit der notwendigen kritischen Distanz geführt wird, was die bisherige Sekundärliteratur zu Eric Voegelin eher vermissen läßt. Der sicherste Weg, Eric Voegelin zu einem Nischendasein in den Zirkeln religiöser Sektierer zu verdammen, besteht darin, seine Ressentiments, besonders seinen an Don Quichotte gemahnden Kampf gegen echte und vermeintliche Gnostiker in allen Formen und Farben, zu einem unverzichtbaren Wesensbestandteil seiner Wissenschaft zu erklären.[400] Gerade hier wäre es notwendig, eine kritische Sonderung vorzunehmen, was bei Voegelin Wissenschaft und was Vorurteil ist. Ein weiterer wichtiger Punkt, der zur Entmystifikation Voegelins beitragen könnte, wäre sicherlich die Erforschung von Voegelins Biographie, insbesondere seiner frühen Jahre. Voegelins geistige Entwicklung ist zweifellos viel spannungsgeladener als seine Autobiographie dies vermuten läßt, denn Voegelin war gerade in jungen Jahren von jenen irrationalistischen Strömungen der Geisteskultur der Zwanziger und Dreißiger Jahre nicht wenig beeinflußt, gegen deren politische Auswüchse er dann wissenschaftlich zu Felde zog. Es liegen also noch reichlich Felder brach, welche die zukünftige Voegelin-Forschung, wenn es eine geben sollte, bearbeiten könnte.
[399] Zur Aktualität Voegelins im Zusammenhang mit Huntingtons Theorie: Vgl. Michael Henkel: Eric Voegelin zur Einführung, Hamburg 1998, S.167.
[400] Vgl. Maben W. Poirier: VOEGELIN- A Voice of the Cold War Era ...? A COMMENT on a Eugene Webb review, in: Voegelin Research News, Volume III, No.5, October 1997, auf: vax2.concordia.ca/~vorenews/V-RNIII5.HTML (Host: Eric Voegelin Institute, Lousiana State University. Zugriff am: 5.3.2000).