Die Humanismuskritik Arnold Gehlens in seinem Spätwerk "Moral und Hypermoral"

Eckhart Arnold

1 Einleitung
2 Die philosophische Entwicklung Arnold Gehlens
3 Gehlens Humanismuskritik in „Moral und Hypermoral“
4 Gehlens Programm der pluralistischen Ethik und der Vorwurf der Moralhypertrophie
5 Gegenentwurf: Hierarchische Ethik und Humanität als Primärtugend
6 Schluß
Literaturverzeichnis

6 Schluß

Zum Abschluß soll die Frage beleuchtet werden, ob unter dem Eindruck von Gehlens Kritik des Humanitarismus der Begriff des Humanismus gewandelt werden muß, da sich der Humanismus vielleicht in einigen Punkten als ein nicht mehr haltbares Ideal erwiesen hat.

Meiner Meinung nach übersteht zumindest die ethische Seite des Humanismus die Kritik Gehlens weitgehend unbeschadet. Weder Gehlens anthropologische Ableitung noch seine historische Entlarvung noch seine durchaus reaktionären Ausführungen zur Politik enthalten schlüssige Gründe gegen die humanistische Ethik in dem von mir definierten Sinne (Kapitel 3.1). Im wesentlichen hängt dies mit technischen Mängeln von Gehlens Argumentationsweise zusammen. So wie Gehlen in seinem Werk Moral und Hypermoral die Probleme der Ethik angeht, lassen sich ethische Fragen eben nicht entscheiden. Lediglich in zwei Punkten scheinen mir die Mahnungen Gehlens berücksichtigenswert: 1.Die humanistische Ethik darf nicht gesinnungsethisch (miß-)verstanden werden. (Als ein solches Mißverständnis aus der Sicht der humanistischen Ethik könnte man etwa den Pazifismus der Friedensbewegung in den 80er Jahren ansehen, soweit er moralisch begründet worden ist.) 2.Die humanistische Ethik darf nicht in Moralismus ausarten: Weder dient sie in irgend einer Weise der verständnismäßigen Erschließung der Welt (keine Ethik leistet dies bzw. kann dies leisten), noch können alle menschlichen Lebensbereiche in unmittelbarem Bezug auf die Prinzipien der humanistischen Ethik ethisch geregelt werden. Insofern ist eine Vielfalt moralischer Prinzipien erforderlich, die jedoch nicht pluralistisch nebeneinander stehen, sondern hierarchisch einander über- und untergeordnet sind.

Abgesehen davon enthält Gehlens Werk Moral und Hypermoral nur eher wenig, was von philosophischem Interesse ist. Zu denken wäre hier an das Askeseideal und - wenn auch weniger in ethischer als in anthropologischer Hinsicht - an Gehlens anthropologische Ableitung des Humanitarismus. Ansonsten wirkt dieses Buch eher wie ein haßerfülltes Pamphlet, in welchem ein verbitterter Konservativer seinem Frust über die Gesellschaft und politische Kultur der zweiten deutschen Demokratie Luft macht, und das sich streckenweise liest wie ein warmes Plädoyer für ein bißchen mehr Faschismus in userer Zeit.

Damit, daß die humanistische Ethik weiterhin befürwortenswert ist, ist allerdings die Frage noch nicht beantwortet, ob der Humanismus als Ideal noch aktuell ist oder sein kann. In dieser Hinsicht ist es jedenfalls bemerkenswert, daß Gehlen den Humanismus nicht - wie es offenbar manche Postmodernisten tun - deshalb ablehnt, weil Humanismus in seinen Augen etwa bedeutete, ein bestimmtes Wesen des Menschen oder eine bestimmte Form menschlichen Lebens als Ideal tyrannisch zu verabsolutieren und damit alle anderen Möglichkeiten des Menschseins in intoleranter Weise auszuschließen. Vielmehr wirft Gehlen - soweit sich das aus den vereinzelten Bemerkungen in Moral und Hypermoral zu dieser Frage schließen läßt - ganz im Gegenteil dem Humanismus seinen Formalismus vor, der darin besteht, den Menschen, wie auch immer und was auch immer er ist, also gerade ohne den Vorbehalt, daß der Mensch einem bestimmten Wesensideal von Menschsein genügen muß, zu verherrlichen.

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